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Was ist dran an den Generationen-Klischees?

„Generation Z ist arbeitsscheu und möchte nur chillen, während die Babyboomer kein Privatleben kennen“: Solche oder ähnliche Zuschreibungen hat wahrscheinlich jeder schon mal gehört. Doch stimmen diese Generationen-Klischees wirklich? Hängt die Einstellung zum Leben und zur Arbeit wirklich davon ab, in welchem Jahr jemand geboren ist? Ein deutscher Forscher hat das in großem Stil untersucht und ist dabei auf überraschende Antworten gestoßen.
AMA, 20.11.2023
Symbolbild Altersgruppen
Was ist dran am Generationeneffekt?

© PixelsEffect, GettyImages

Den Konflikt zwischen den Generationen gibt es wahrscheinlich schon so lange, wie es Menschen gibt. Oft schreiben die Älteren dabei der nachfolgenden Generation allerlei negative Eigenschaften zu, aber auch umgekehrt wird reichlich kritisiert. Den gängigen Klischees nach gelten beispielsweise die in den 1950 bis 1960er Jahren geborenen Babyboomer als individualistische Workoholics, deren Streben nach Wohlstand für einen Großteil der Klimamisere und Umweltverschmutzung verantwortlich sind.

Demgegenüber gelten die nachfolgenden Generationen – darunter vor allem die ab den 1980ern geborenen Millenials und die ab der Jahrtausendwende geborene Generation Z – als weniger arbeitsorientiert und eher auf das individuelle Wohlergehen, Selbstverwirklichung und persönliche Freiheiten bedacht. Forderungen wie eine bessere Work-Life-Balance, die Vier-Tage-Woche und viel Homeoffice gehören dazu.

Die Gen Z wird von älteren Menschen deshalb häufig als faul, egoistisch und naiv abgestempelt. Schließlich sollte das Ziel in den Augen der Boomer doch sein, möglichst schnell die Karriereleiter hochzuklettern und viel Geld zu verdienen, auch wenn dafür Überstunden, Nachtschichten und Wochenend-Dienste nötig sind. Als Konter für solche Bemerkungen müssen Babyboomer dann allerdings mit einem genervten „Ok, Boomer…“ und dem Vorwurf rechnen, ihre Arbeit im Leben über alles andere gestellt und dadurch einen privaten und gesellschaftlichen Scherbenhaufen hinterlassen zu haben.

Was ist dran am Generationeneffekt?

Aus dem Bauch heraus würden wahrscheinlich viele diesen gängigen Klischees zustimmen, doch bedeutet das auch, dass sie wahr sind? Um das herauszufinden, hat der Soziologe Martin Schröder von der Universität des Saarlandes fast 600.000 Datensätze aus aller Welt analysiert, in denen Menschen verschiedenen Alters zwischen 1981 und 2022 Aussagen zu ihren Arbeitseinstellungen gemacht haben.

Das Ergebnis dieser Auswertung hat Schröder ziemlich überrascht, denn: „Ich habe nichts gefunden, was darauf hindeutet, dass die Einstellung zu Arbeit und Beruf tatsächlich mit dem Geburtsjahr zusammenhängt.“ Dass die faulen Gen-Zler in ihrer 20-Stunden-Woche am Strand in Bali „irgendwas mit Medien“ machen, während die Boomer mit Mitte 50 kurz vorm Burnout stehen, sei allenfalls ein Klischee.

Alter ist entscheidender als edie Generation

Trotzdem ist es unbestritten, dass es gewisse Unterschiede zwischen den Generationen und ihrer Einstellung zur Arbeitswelt gibt. Diese Unterschiede liegen aber viel weniger im jeweiligen Geburtsjahr begründet als in anderen Faktoren, wie Schröder herausgefunden hat. Deutlich entscheidender für die Arbeitsmoral ist demnach das Alter, in dem man nach seinen Einstellungen gefragt wird. So zeigte sich bei den unterschiedlichen Datensätzen zum Beispiel, dass Menschen zwischen 40 und 50 Jahren ihre Arbeit meist am wichtigsten ist.

Jüngere oder ältere Menschen schreiben der Arbeit hingegen tendenziell eine geringere Bedeutung zu – und zwar egal, ob man sie im Jahr 1981 oder im Jahr 2022 danach fragt. Anders ausgedrückt waren auch die heutigen Babyboomer zu ihrem Berufseinstieg schon unmotivierter als ihre älteren Kollegen, auch wenn sich diese Einstellung dann im Laufe der Zeit geändert haben mag. Vergleicht man also die junge Gen Z mit den mittelalten Babyboomern, vergleicht man in diesem Sinne keine Generationen, sondern lediglich die Eigenheiten verschiedener Lebensabschnitte.

Die Zeiten haben sich geändert

Doch es ist nicht nur das Alter an sich, das sich auf die Arbeitsmoral auswirkt, sondern auch die Zeit, in der man lebt, wie Schröder erklärt: „Wir denken heute alle anders als früher. Das gilt für den 15-Jährigen genauso wie für den 60-Jährigen.“ Im Zeitverlauf ist demnach abzulesen, dass uns allen die Arbeit heute nicht mehr ganz so wichtig ist wie der Gesellschaft vor 50 Jahren. Und das egal, ob wir aktuell 15 oder 60 sind. Im Denken jüngerer Menschen, die tendenziell ohnehin eine geringere Arbeitsmotivation haben, wirkt sich diese Trendwende höchstens nochmal etwas stärker aus.

Wenn es also gar nicht so sehr Geburtsjahr und Generation sind, die unsere Arbeitsmoral bestimmen, warum pochen wir dann so sehr darauf? „Unser Gehirn liebt es, Menschen in Gruppen einzuteilen, weil dies uns erlaubt, unsere eigene soziale Gruppe als besser als andere zu sehen, was uns ein befriedigendes Gefühl gibt. Und so landen wir bei spöttischen Aussagen wie „Ok, Boomer‘“, erklärt Soziologe Martin Schröder.

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