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Supraleitung: Stromfluss ohne Widerstand

Was ist Supraleitung?

Supraleitung ist die Fähigkeit vieler Metalle und Keramiken, bei extrem niedrigen Temperaturen den elektrischen Strom verlustfrei zu leiten. Mit anderen Worten, der elektrische Widerstand dieser Materialien sinkt unterhalb eines gewissen kritischen Temperaturwerts, der für jeden Supraleiter anders ist, schlagartig auf null ab.

Das Phänomen ist nicht neu. Anfang des 20. Jahrhunderts untersuchte der niederländische Physiker Heike Kamerlingh Onnes (1853–1926) den elektrischen Widerstand von Metallen bei tiefen Temperaturen. Dabei machte er 1911 eine bahnbrechende Entdeckung: Vier Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt (also bei –269 °C) verliert Quecksilber schlagartig und vollständig seinen elektrischen Widerstand – ein Befund, den erst die zehn Jahre später entwickelte Quantentheorie erklären konnte. In der Folge wurden zahlreiche weitere Metalle gefunden, die bei sehr tiefen Temperaturen widerstandslos bzw. supraleitend wurden. Für seine Arbeiten wurde Kamerlingh Onnes 1913 mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet.

Die seitdem gefundenen Übergangstemperaturen, fachsprachlich als Sprungtemperaturen bezeichnet, blieben lange Jahre im Bereich von wenigen Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt. Praktische Anwendung gab es nicht, weil solche Temperaturwerte nur mit flüssigem Helium oder flüssigem Wasserstoff erreicht werden konnten, die sehr teuer und schwer zu handhaben waren. Erst vor rund 20 Jahren gelang es, mit der überraschenden Entdeckung sog. Hochtemperatur-Supraleiter (HTSL) aus speziellen Keramikmaterialien, in den technisch interessanten Bereich der Kühlung mit flüssiger Luft vorzustoßen. HTSL bestehen aus komplizierten keramischen Verbindungen und werden etwa bei Temperaturen von –200 °C bis –140 °C supraleitend. Erste technische Anwendungen stehen kurz vor der Marktreife.

Was ist magnetische Levitation?

Ein spektakulärer Nebeneffekt der Supraleitung: In räumlich ungleichförmigen Magnetfeldern können Supraleiter so lange schweben oder aber andere Magnete in der Schwebe halten, wie die Kühlung sie unter ihrer Sprungtemperatur hält. Der Grund hierfür liegt darin, dass im Inneren des Supraleiters widerstandslose Dauerströme fließen. Diese induzieren ein Magnetfeld, welches das äußere Magnetfeld bzw. das des zweiten Magneten so stark abstößt, dass die Schwerkraft überwunden wird.

Wo werden Supraleiter eingesetzt?

Derzeit nur in kostenintensiven Hochtechnologie-Anwendungen wie Teilchenbeschleunigern oder High-Tech-Sensoren wie den sog. SQUIDs, den empfindlichsten Detektoren für Magnetfelder, die es gibt. In der täglichen Praxis spielt die Supraleitung dagegen im Moment noch so gut wie keine Rolle. Im Prinzip verspricht die Supraleitertechnologie verlockende Anwendungen: verlustfreier Transport von Strom über große Distanzen oder sehr kompakte Elektromotoren mit hohem Wirkungsgrad. Doch die hohen Produktionskosten sowie technische Probleme haben noch keiner Anwendung den Zugang zu Massenmärkten eröffnet.

Ein großes Hindernis sind die immer noch viel zu niedrigen Sprungtemperaturen. Aufwendige Wärmeisolationen und teure Kühltechnik beschränken das Anwendungsgebiet auf Bereiche, in denen die Supraleitung praktisch alternativlos ist. Außer bei den oben bereits genannten Anwendungen gilt dies überall dort, wo extrem starke Magnetfelder benötigt werden, sowie für Kernfusions-Versuchsanlagen und Tieftemperaturlaboratorien, wo mithilfe der sog. magnetischen Kühlung Temperaturen erzeugt werden, die nur Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt liegen.

Die keramischen »Hochtemperatur-Supraleiter« wiederum besitzen zwar akzeptable Sprungtemperaturen, doch sind sie leider recht spröde und lassen sich nur auf komplizierten Umwegen in Drahtform bringen. Für sie gibt es (zurzeit noch) keine technischen Verwendungsmöglichkeiten für den Massenmarkt. Im Sommer 2005 gelang es dennoch, den weltweit ersten Generator mit diesem Material zu bauen. Weitere Forschungsprojekte stehen kurz vor dem Abschluss.

Wussten Sie, dass …

in Supraleitern Ringströme monatelang ohne jede Abschwächung fließen können?

die Supraleitung nicht nur bei zu hohen Temperaturen zusammenbricht, sondern auch, wenn äußere Magnetfelder oder die Stromstärke zu groß werden?

man Supraleiter als hochempfindliche Magnetfelddetektoren einsetzen kann? Die so genannten SQUIDs können Magnetfelder von einem Milliardstel des Erdmagnetfelds nachweisen. Sie werden z. B. in Archäologie, Medizin und Materialforschung eingesetzt.

Wie heiß sind Hochtemperatur-Supraleiter?

Immer noch sehr kalt! Hier zeigt sich einmal mehr, dass in der Physik vieles relativ ist: Die Temperatur, bei der ein typischer Hochtemperatur-Supraleiter seinen Widerstand verliert, liegt zwar um bis zu 100 °C über der von herkömmlichen Supraleitern. Mit maximal –140 °C liegen diese Temperaturen aber immer noch weit unterhalb des Gefrierpunkts in einem Bereich, in dem Luft flüssig wird. Entdeckt wurde diese »heiße« Klasse von Supraleitern von dem schweizerischen Physiker K. Alexander Müller (*1927) und dem deutschen Kristallographen J. Georg Bednorz (*1950) 1986 am IBM-Forschungslaboratorium in Rüschlikon am Zürichsee. Sie hatten »aufs Geratewohl« hergestellte neue Keramiken auf brauchbare Eigenschaften überprüft und festgestellt, dass die Verbindung Lanthanbariumcuprat schon oberhalb von –200 °C supraleitend wird. Bereits im nächsten Jahr erhielten sie für ihre Entdeckung den Nobelpreis für Physik, eine der schnellsten Entscheidungen des Nobelkomitees!

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