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Caspar David Friedrich – Meister des Infinity-Effekts
Vor 250 Jahren, am 5. September 1774, kam in Greifswald der junge Caspar David Friedrich zur Welt. Er prägte die künstlerische Schaffenszeit des frühen 19. Jahrhunderts mit und gilt heute als bedeutendster Maler der deutschen Romantik. Zugleich gilt er wegen seiner Brüche mit Traditionen als Vorreiter der Moderne. Wie viele andere Künstler seiner Zeit und der vorigen Epochen malte er vor allem Landschaften. Und doch hat Friedrich mit seinen Werken die Sicht der Menschen auf die Natur verändert. Wie hat er das geschafft? Was war sein Geheimnis?
Die Tricks des Landschaftsmalers
Sein Zeichenhandwerk lernte Friedrich bei einem Studium an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Die Hochschule galt damals als liberal, doch Malerei wurde dort nicht unterrichtet. Dennoch entwickelte der Autodidakt einige versierte Maltechniken, auch unter dem späteren Einfluss der Dresdner Akademie. Zum einen verwendete Friedrich in seinen Landschaftsgemälden leuchtende Farben, die er nuanciert und in mehreren transparenten Schichten auftrug und so ein geheimnisvolles Licht erzeugte. Das verlieh seinen Bildern eine mystische Atmosphäre.
Zum anderen wählte er den Bildausschnitt und die Komposition seiner Figuren so, dass der Betrachter durch sie scheinbar endlos in die Ferne schauen kann und dabei selbst Teil der Landschaft wird. Häufig platzierte Friedrich für diesen Infinity-Effekt und die räumliche Tiefe eine oder mehrere Personen im Vordergrund seiner Bilder, die mit dem Rücken zum Betrachter stehen und stellvertretend dessen Platz einnehmen. In seinem Meisterwerk die „Kreidefelsen auf Rügen“ (1818/1819) blicken beispielsweise drei Figuren vom Rande der Klippen auf die Ostsee hinab und „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ (1818) thront auf einem Felsen über ebendiesem.
Darüber hinaus präsentierte Friedrich seine Landschaften aus verschiedenen Perspektiven und zu verschiedenen Jahreszeiten und drückte damit auf theatralische und melancholische Weise den Wandel der Natur im Zuge der Zeit aus. Seine Bilder sind damit auch Abbilder seiner Gedanken- und Gefühlswelt, die Vermutungen zufolge von depressiven Phasen geprägt gewesen sein soll.
Gemälde zum Verreisen und Verweilen
Einige der dargestellten Landschaften und Stadtsilhouetten hatte Friedrich selbst erkundet, etwa bei Wanderungen an den deutschen Küsten und in den Bergen des Harz und Riesengebirges. Weit gereist ist der Maler jedoch nicht und viele seiner Szenerien sind trotz ihrer scheinbaren Detailtreue frei erfunden oder durch andere Gemälde inspiriert. Dazu zählen beispielsweise der „Watzmann“ oder das „Eismeer“. So drücken seine Werke auch seine eigene Sehnsucht aus und laden zugleich zum Verweilen und Innehalten ein.
Anders als die Landschaftsmalereien des Barock und Klassizismus sind Friedrichs Motive zudem keine vorrangig religiösen Darstellungen, etwa des Jenseits. Stattdessen stehen die Natur selbst und die durch sie geweckten Gefühle des Betrachters bei Friedrich im Mittelpunkt und nicht unbedingt sinnbildlich für etwas Größeres oder einen höheren Sinn.
Ausstellungen zum Jubiläum
Bereits zu Lebzeiten hatte Friedrich künstlerischen Erfolg, einflussreiche Freunde, war bezahltes Mitglied und später Professor an der Dresdner Akademie und stellte seine Werke regelmäßig öffentlich aus. Nach seinem Tod 1840 geriet er allerdings zunächst in Vergessenheit, zahlreiche Werke verschwanden. Erst mit der „Deutschen Jahrhundertausstellung“ 1906 in der Berliner Nationalgalerie wurden seine Bilder wiederentdeckt und der Künstler für seinen besonderen Einsatz von Licht, Atmosphäre und Ästhetik gefeiert.
Anlässlich des 250. Jubiläums in diesem Jahr zeigen mehrere deutsche Museen nun Ausstellungen mit den wenigen noch erhaltenen Werken Friedrichs. Noch bis Ende des Jahres sind seine Gemälde, Zeichnungen und Grafiken im Albertinum in Friedrichs Wahlheimat Dresden zu sehen, wo sie den Bildern der Alten Meister und Friedrichs Wegbegleitern gegenübergestellt werden. Anfang 2025 werden die Werke dann im Metropolitan Museum of Art in New York zu sehen sein.