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Die Pflicht zur Kennzeichnung
Für die meisten Verbraucher in Deutschland kommen gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht in den Einkaufswagen, und schon gar nicht auf den Teller. So sie denn wissen, was sie essen. Die Horrorvorstellung von blauen Tomaten, quadratischen Äpfeln und Schweinen mit acht Haxen lässt sie dem neu kreierten Essen aus der Hexenküche der Biochemie die kalte Schulter zeigen. Vor allem, weil sie äußerst skeptisch sind, dass genmanipulierte Nahrung tatsächlich gesundheitlich unbedenklich ist, wie deren Hersteller stets betonen. In den meisten deutschen Supermarktregalen sind auch kaum gentechnisch veränderte Lebensmittel zu finden. Denn sie müssen als solche gekennzeichnet sein.
Diese EU-weite Vorschrift gilt seit dem 18. April 2004. Also Brille in den Supermarkt mitnehmen, empfehlen Verbraucherschützer. GVO lautet die Abkürzung für „Gentechnisch veränderte Organismen“, auf die auf der Verpackung kennzeichnungspflichtiger Produkte hingewiesen werden muss, und zwar mit den Worten „enthält gentechnisch veränderten…“ oder „gentechnisch verändert“. Das gilt für alle Lebensmittel, Zutaten oder Zusatzstoffe, die aus „GVO“ hergestellt sind. Beispiele sind Öle aus gentechnisch verändertem Raps, Stärke aus gentechnisch verändertem Mais, Traubenzucker und Glukosesirup aus gentechnisch veränderter Maisstärke, Zusatzstoffe wie Lecithin aus gentechnisch veränderten Sojabohnen und Aroma aus gentechnisch verändertem Sojaeiweiß. Nicht zugelassen sind in der EU bislang Lebensmittel, die selbst ein gentechnisch veränderter Organismus sind wie Kartoffeln, Maiskolben, Tomaten oder Fisch sowie Lebensmittel, die gentechnisch veränderter Organismen enthalten wie Joghurt (mit gentechnisch veränderten Bakterien) oder Weizenbier (mit gentechnisch veränderter Hefe).
Durch diese Kennzeichnungspflicht kann der Verbraucher jedoch nicht völlig ausschließen, dennoch an Lebensmittel zu gelangen, die zumindest Spuren von GVO enthalten. Denn nur wenn der Anteil dieser Spuren mehr als 0,9 Prozent des Lebensmittels ausmacht, muss dies auch drauf stehen. Ebenso müssen bislang Fleisch, Milch und Eier von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, nicht deklariert werden. Auch gibt es eine ganze Reihe von Hilfsstoffen, die bei der Lebensmittelherstellung eingesetzt werden, die nicht gekennzeichnet werden müssen, auch nicht, wenn sie mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden. Ein Beispiel hierfür ist das Enzym Chymosin, das bei der Käseproduktion die Milch dicklegt.
Entsteht durch die Genmanipulation eine neue Zusammensetzung des Lebensmittels, hat es einen abweichenden Nährwert oder könnte es Auswirkungen auf die Gesundheit etwa von Allergikern haben, so muss diese besonders gekennzeichnet werden. Auch wenn ethische oder religiöse Gefühle verletzt werden könnten, weil beispielsweise ein tierisches Gen auf ein pflanzliches Lebensmittel übertragen wurde, so reicht der Hinweis „genetisch verändert“ nicht aus. Hersteller, die herausstellen wollen, dass sie auf GVO verzichten, können ihre Produkte mit der Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ versehen. Das setzt allerdings voraus, dass der Einsatz von Gentechnik auf allen Verarbeitungsstufen ausgeschlossen werden kann.
Die Einhaltung der Kennzeichnungsbestimmungen kontrolliert die amtliche Lebensmittelüberwachung der Bundesländer. Ein falscher oder fehlender Hinweis auf „GVO“ kann teuer werden: das Gesetz sieht bei Verstößen gegen die Kennzeichnungsregeln Strafen bis zu 50.000 Euro vor.
Für den internationalen Handel gilt die Kennzeichnungspflicht erst vom Jahr 2012 an. Darauf verständigte sich die dritte UN-Konferenz über die Konvention zur Biologischen Sicherheit im März 2006 im brasilianischen Curitiba. Bisher reicht der Hinweis auf der Verpackung: „Kann gentechnisch veränderte Organismen enthalten“. Auf diese Formulierung hatte man sich im Jahr 2000 in Cartagena (Kolumbien) geeinigt.