Lexikon
Römisches Reich
lateinisch Imperium RomanumDie Zeit des Prinzipats (1.–3. Jahrhundert)
Nachdem Octavian 27 v. Chr. seine gesamte Gewalt niedergelegt und dem Senat formal die Verteilung der Kompetenzen im Reich überlassen hatte (dafür mit dem Ehrennamen Augustus, der „Erhabene“, ausgezeichnet), übertrug ihm der Senat das militärische Kommando in den nicht befriedeten Provinzen und damit über den Großteil des Heeres als faktische Grundlage seiner Herrschaft. Nach und nach vereinte er die wichtigsten republikanischen Amtsgewalten, insbesondere das prokonsularische Imperium und die tribunizische Gewalt, in seiner Person, ohne den traditionellen Rahmen der republikanischen Verfassung zu sprengen oder den Senat auszuschalten, und stützte seine Stellung auf seine umfassende Autorität (auctoritas), die nach römischem Verständnis auch politische Macht verlieh.
Das Zeitalter des Augustus war eine Zeit des inneren Friedens – obwohl an den Grenzen fast ununterbrochen Krieg geführt wurde –, der wirtschaftlichen und politischen Stabilität, die durch reichsweite Verwaltungs- und Finanzreformen gesichert war, und hoher kultureller Blüte.
Augustus hinterließ ein innerhalb seiner Grenzen an Rhein, Donau und Euphrat militärisch gesichertes Reich mit gefestigter politischer, sozialer und finanzieller Organisationsstruktur, die sich unter seinen Nachfolgern kaum veränderte. Eine Schwäche des Prinzipats bestand in der ungeregelten Nachfolgefrage; da einerseits zwar, vor allem im Heer, der dynastischen Nachfolge der Vorzug gegeben wurde, andererseits aber im Prinzip jeder angesehene Senator als Kandidat für den Kaiserthron in Frage kam, ergaben sich Unruhen immer dort, wo eine Dynastie ausstarb; eine Rückkehr zu republikanischen Verfassungsformen stand jedoch nie ernsthaft zur Debatte.
Die von Augustus begründete Iulisch-Claudische Dynastie (Tiberius 14-37; Caligula 37-41; Claudius 41-54; Nero 54-68) führte außenpolitisch die Sicherung und Abrundung des Reichsgebiets weiter (unter Claudius die Eroberung Britanniens) und baute im Innern die Versachlichung der Herrschaft durch Ressortgliederung in der kaiserlichen Reichsverwaltung aus. So überstand das Reich nicht nur die psychopathische Herrschaft Caligulas und Neros unbeschadet, sondern nach dem Selbstmord Neros auch die Wirren des Vierkaiserjahrs 68/69 (Galba, Otho, Vitellius, Vespasian).
Mit der Gründung einer neuen Dynastie durch Vespasian trat wieder Ruhe ein. Die Flavische Dynastie (Vespasian 69-79; Titus 79-81; Domitian 81-96) brachte eine italische Familie zur Herrschaft, die den Konsens mit dem stadtrömischen Adel anstrebte und dies durch Effizienz auch erreichte. Als Domitian diese Basis verließ, wurde er ermordet und durch einen altgedienten Senator (Nerva 96-98) ersetzt, der aus politischen Gründen bald Trajan adoptierte und damit das Zeitalter der Adoptivkaiser (96/98–180/192) einleitete. Hinter der Ideologie, durch Adoption den jeweils Besten zum Kaiser machen zu wollen, stand jedoch nur die Tatsache, dass keiner der Kaiser bis Marc Aurel einen eigenen Sohn hatte.
Unter Trajan (98-117), der Dakien, Arabia Petraea, Armenien und kurzzeitig auch Mesopotamien hinzugewann, erreichte das Römische Reich seine größte Ausdehnung; er förderte die Integration der Reichsaristokratie (er selbst stammte aus Spanien), half den Provinzen und verstärkte in Italien die Unterstützung armer Familien. Sein Nachfolger Hadrian (117-138) sicherte die Grenzen (u. a. Hadrianswall in Nordengland) und konzentrierte sich auf die innere Organisation; sein Nachfolger Antoninus Pius (138-161), der Italien nie verließ, übernahm ein prosperierendes und gefestigtes Reich. Doch bereits Marc Aurel (161-180) und sein Mitkaiser Verus (160-169) hatten an mehreren Fronten im Osten gegen die Parther und an der Donau gegen Markomannen, Quaden und Sarmaten zu kämpfen. Die wirtschaftliche Lage begann sich zu verschlechtern, und zwar auch für die Honoratiorenschichten in den provinzialen Gemeinden, die der Steuerdruck in ökonomische Schwierigkeiten brachte. Beim Tod Marc Aurels waren zwar die Feinde abgewehrt, aber das Reich durch mehrere Pestepidemien und die finanziellen Anspannungen erheblich geschwächt. Sein Sohn und Nachfolger Commodus (180–192) kümmerte sich wenig um den Zustand des Reichs; wegen seines Größenwahns wurde er schließlich ermordet.
Das Erlöschen dieser Dynastie stürzte Rom erneut in einen Strudel von Bürgerkriegen: Von den Thronprätendenten (Pertinax 192/193; Didius Julianus 193; Pescennius Niger 193; Clodius Albinus 193) setzte sich Septimius Severus (193–211) durch. Er begründete eine neue Dynastie (Severische Dynastie, 193–235) und ließ die bisher verschleierte militärische Grundlage der Macht der Kaiser offen sichtbar werden: Gestützt auf die Soldaten, denen er steile Karrieren bis zum Ritterrang eröffnete, und Offiziere, die ohne zum Senatorenstand zu gehören in höchste Kommandostellen aufsteigen konnten, wehrte er Parther und nordbritannische Stämme ab, ordnete die Finanzen und das Rechtswesen und sorgte für eine effiziente Reichsverwaltung. Sein Sohn Caracalla (212–217), der 212 aus finanziellen Gründen allen freien Reichsbewohnern das römische Bürgerrecht verlieh, profitierte davon ebenso wie seine Verwandten Elagabal (218–222) und Severus Alexander (222–235).
Die Lage des Reichs hatte sich am Beginn des 3. Jahrhunderts entscheidend verschlechtert: Im Osten meldete die neue Dynastie der neupersischen Sasaniden ihren Weltherrschaftsanspruch an, am Rhein hatten sich mit den Alemannen und Franken schlagkräftige germanische Stammesverbände gebildet und an der unteren Donau erschienen erste Gotenscharen. Die hohen Kosten der militärischen Sicherung der Grenzen gefolgt von wachsendem Steuer- und Leistungsdruck führten zusammen mit der Dezimierung von Heer und Bevölkerung durch von Osten eingeschleppte Epidemien zu einer ernsthaften Existenzkrise des Reiches, die sich besonders im häufigen Wechsel der Kaiser zeigte: In den 50 Jahren zwischen Maximinus Thrax (235–238) und dem Herrschaftsantritt Diocletians (284) betraten an die 30 reguläre Kaiser und etwa doppelt so viele Usurpatoren die Bühne. Versuche, das Reich durch die Rückbesinnung auf die altrömische Religion zu retten, führten unter Decius (249–251) zur ersten reichsweiten Christenverfolgung, die von Valerian (253–260) fortgeführt wurde. Dennoch drohte das Reich zu verfallen, weil sich im Westen ein Sonderreich in Gallien und im Osten das Palmyrenische Reich bildeten. Erst Aurelian (270–275) vermochte das Reich in voller Ausdehnung wieder zusammenzufassen und zu sichern, doch glaubte auch er, die Hauptstadt Rom mit einer gewaltigen Mauer schützen zu müssen (Aurelianische Mauer).
Seit Ende des 2. Jahrhunderts und verstärkt in der Krisenzeit des 3. Jahrhunderts setzte eine wachsende Autokratisierung des Kaisertums vom Princeps, dem Ersten unter Gleichen, zum Dominus, dem „Herrn“ über Untertanen ein. Damit wurde die letzte Epoche des Römischen Reiches, das sog. Dominat eingeleitet.
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