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Medikamente am Steuer: Diese Wirkstoffe können zur Führerscheinfalle werden

Nicht nur Alkohol oder illegale Drogen können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Auch ganz alltägliche Medikamente aus der Apotheke haben das Potenzial, Reaktionszeit, Aufmerksamkeit und Urteilsvermögen zu verringern – manchmal stärker, als vielen bewusst ist. Wer sich krank fühlt, greift oft ganz selbstverständlich zu Schmerzmitteln oder Erkältungspräparaten und setzt sich danach wieder ans Steuer. Doch gerade dann kann die Kombination aus Krankheit und Wirkstoff eine gefährliche Mischung sein.
Fahrerfrust. Mann am Steuer eines KFZ, der sich mit der linken Hand vor die Stirn fasst
Auch scheinbar harmlose Allergiemittel können zur Führerscheinfalle werden.

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Das Risiko ist tückisch, weil es sich oft schleichend bemerkbar macht. Viele Mittel entfalten ihre dämpfende Wirkung erst nach einiger Zeit, andere verstärken die Müdigkeit, die ohnehin durch eine Erkrankung vorhanden ist. Und während Alkoholtests bei Verkehrskontrollen gängig sind, lassen sich medikamentenbedingte Ausfallerscheinungen nicht so leicht nachweisen – was die Gefahr unterschätzt wirken lässt.

Schmerzmittel: Wenn Linderung zur Gefahr wird

Starke Schmerzmittel, vor allem solche aus der Gruppe der Opioide, gehören zu den bekanntesten Medikamenten mit Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit. Sie wirken schmerzlindernd, dämpfen aber zugleich das zentrale Nervensystem. Das kann Reaktionszeiten verlängern, die Aufmerksamkeit mindern und das Einschätzungsvermögen beeinträchtigen.

Gerade in der Anfangsphase einer Therapie ist besondere Vorsicht geboten. Der Körper muss sich erst an die Wirkung gewöhnen, und in dieser Zeit ist das Risiko für Ausfallerscheinungen besonders hoch. Auch schwächere Schmerzmittel können problematisch sein, wenn sie in Kombination mit anderen Wirkstoffen eingenommen werden oder Müdigkeit als Nebenwirkung aufweisen.

Schlaf- und Beruhigungsmittel: Nachwirkungen am nächsten Tag

Medikamente, die zur Beruhigung oder zum Einschlafen eingenommen werden, haben häufig eine lange Wirkungsdauer. Substanzen wie Benzodiazepine oder Z-Substanzen können auch am nächsten Tag noch dämpfend wirken.

Das bedeutet, dass nicht nur direkt nach der Einnahme ein Risiko besteht, sondern auch Stunden später – etwa beim morgendlichen Autofahren zur Arbeit. Selbst wenn subjektiv keine Müdigkeit empfunden wird, können Reaktionszeit und Konzentration messbar reduziert sein. Diese verzögerten Effekte machen Schlaf- und Beruhigungsmittel zu einer häufig unterschätzten Gefahr im Straßenverkehr.

Grauzonen: Cannabis auf Rezept und Straßenverkehr

Seit der Legalisierung von Cannabis am 01.04.2024 gibt es einige neue Regelungen. Zum Beispiel gibt es Cannabis nun auf Rezept. „Es wird einfacher für den Arzt bzw. die Ärztin medizinisches Cannabis zu verschreiben, da die aufwändige Dokumentation für Betäubungsmittel entfällt.” so Dr. Nadine Herwig, Leiterin der Grünhorn Academy. Ein besonders viel diskutiertes Beispiel ist das Thema medizinisches Cannabis beim Auto fahren, da Patienten zwar ein Rezept besitzen, im Straßenverkehr aber dennoch strenge Auflagen einhalten müssen.

Anders als bei vielen anderen Medikamenten wird bei Cannabis der Wirkstoffgehalt im Blut sehr genau kontrolliert. Liegt der THC-Wert über einer bestimmten Grenze, kann selbst bei vorliegendem Rezept die Fahrerlaubnis entzogen werden. Entscheidend ist, ob die Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt war – nicht allein, ob ein Wirkstoff nachweisbar ist. Das macht die Situation für Betroffene komplex und rechtlich heikel.

Antidepressiva: Komplexe Wirkung auf Aufmerksamkeit und Reaktion

Auch Antidepressiva können die Fahrtüchtigkeit beeinflussen, besonders zu Beginn einer Behandlung oder bei Dosisanpassungen. Manche Wirkstoffe machen müde, andere wirken aktivierend, was ebenfalls zu Konzentrationsproblemen führen kann.

Die Wirkung auf das zentrale Nervensystem ist komplex und individuell sehr unterschiedlich. Einige Betroffene fühlen sich anfangs benommen oder haben Schwierigkeiten, sich länger auf eine Sache zu konzentrieren. Besonders in der Eingewöhnungsphase sollte deshalb auf Autofahrten möglichst verzichtet werden, bis klar ist, wie das Medikament wirkt.

Allergiemittel: Müdigkeit durch Antihistaminika

Was viele unterschätzen: Auch scheinbar harmlose Allergiemittel können zur Führerscheinfalle werden. Ältere Antihistaminika aus der ersten Generation machen deutlich müde, da sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden und auf das zentrale Nervensystem wirken.

Neuere Wirkstoffe sind meist besser verträglich, können aber ebenfalls leichte Schläfrigkeit auslösen – besonders in Kombination mit Alkohol oder anderen dämpfenden Mitteln. Wer unter Heuschnupfen leidet und regelmäßig Antiallergika einnimmt, sollte deshalb genau beobachten, ob die Reaktionsfähigkeit nachlässt.

Erkältungs- und Hustenmittel: Dämpfende Zusatzstoffe

Viele Erkältungsmittel enthalten Wirkstoffe wie Codein oder Alkohol, die sedierend wirken. Gerade Kombinationspräparate aus der Apotheke, die mehrere Symptome gleichzeitig lindern sollen, können unerwartet stark auf das Nervensystem wirken.

Die Folge ist nicht nur Müdigkeit, sondern auch eine langsamere Reaktion auf unerwartete Situationen im Straßenverkehr. Da solche Mittel meist rezeptfrei erhältlich sind, fehlt vielen die nötige Vorsicht – was das Risiko weiter erhöht.

Rechtslage: Verantwortung trotz Rezept

Das Straßenverkehrsgesetz stellt klar: Wer unter Einfluss von Substanzen fährt, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen, handelt ordnungswidrig oder sogar strafbar. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Mittel ärztlich verschrieben wurde oder frei verkäuflich ist.

Kommt es zu einem Unfall, kann das schwerwiegende Folgen haben – von Bußgeldern und Punkten in Flensburg bis hin zum Entzug der Fahrerlaubnis und strafrechtlicher Verfolgung. Auch der Versicherungsschutz kann erlöschen, wenn grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen wird. Die Verantwortung liegt also immer bei der fahrenden Person selbst.

Vorbeugen: Bewusstsein und Eigenverantwortung

Wer Medikamente einnimmt, sollte sich ihrer möglichen Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit bewusst sein. Ein Blick in den Beipackzettel gibt erste Hinweise, ob Schläfrigkeit oder Konzentrationsstörungen auftreten können. Bei Unsicherheit ist Rücksprache mit Ärztin, Arzt oder Apotheke sinnvoll.

Auch die eigene Fahrpraxis liefert wichtige Anhaltspunkte: Tritt während der Fahrt ungewöhnliche Müdigkeit, Benommenheit oder verlangsamtes Reaktionsverhalten auf, sollte das Auto stehen bleiben. Eine offene Kommunikation mit dem behandelnden medizinischen Personal hilft, Risiken frühzeitig zu erkennen und Alternativen zu finden.

Fazit: Sicherheit geht vor

Medikamente gehören für viele zum Alltag – doch ihre Wirkung im Straßenverkehr wird häufig unterschätzt. Entscheidend ist nicht, ob ein Präparat legal oder verschreibungspflichtig ist, sondern wie es individuell wirkt. Wer sich dieser Risiken bewusst ist und verantwortungsvoll handelt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmende.

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