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Nießbrauch und Wohnrecht: Experte André Heid erklärt, wie Hauserben die Erbschaftssteuer umgehen

Werden Immobilien schon vor dem Tod der Eigentümer in Form einer Schenkung an Angehörige überschrieben, ist dabei häufig das Wohnrecht oder der Nießbrauch involviert. Eigentümer sichern sich so die Möglichkeit, ihre Immobilie weiterhin zu bewohnen und nutzen gleichzeitig Vorteile im Hinblick auf die Erbschaftssteuer. Was genau unter Wohnrecht und Nießbrauch zu verstehen ist und wie sich die Begriffe aus dem Eigentums- und Immobilienrecht steuerlich vorteilhaft anwenden lassen, erklärt Immobilienexperte André Heid.
Symbolbild Erbschaft

© TierraMallorca / pixabay.com (CC0-Lizenz)

Wenn Immobilien nach dem Tod der Eigentümer per Testament oder gemäß der gesetzlichen Erbfolge an Hinterbliebene vermacht werden, ist nach deutschem Erbrecht Erbschaftssteuer zu entrichten. Je nach berechnetem Wert der vererbten Immobilie kann die Erbschaftssteuer empfindlich hoch ausfallen.

Wie komplex und vielschichtig die Bewertung einer Immobilie im Erbfall sein kann, äußert sich André Heid, Gründer von Heid Immobilienbewertung gegenüber Forbes. „Es stellen sich Fragen aus dem Erbbaurecht, dem Wohnrecht, dem Wegerecht; auch ein Wissen über Schadensursachen oder korrekte Berechnungen zur Restnutzungsdauer sind wichtig“.

Um die Erbschaftssteuer zu umgehen, übertragen Eigentümer ihre Immobilie häufig schon vor ihrem Tod auf Angehörige.

Schenken statt Vererben: so können sich Hauserben die Steuerlast sparen

Wird eine Immobilie vor dem Tod des Eigentümers per Verkauf oder Schenkung an einen Angehörigen übereignet, ist beim Tod des früheren Eigentümers keine Erbschaftssteuer zu entrichten. Im Falle einer Schenkung kommt die Schenkungssteuer zum Tragen. Diese ist allerdings grundsätzlich niedriger als die Erbschaftssteuer. Außerdem ist die Schenkungssteuer an großzügige Freigrenzen geknüpft, die die neuen Eigentümer einer übereigneten Immobilie ausschöpfen können.

Die Freibeträge für Beschenkte sind folgendermaßen festgelegt:

Ehegatten und eingetragene Lebenspartner 500.000 €
Nicht eingetragene Lebenspartner 20.000 €
Geschiedene / ehemalige eingetragene Lebenspartner 20.000 €
Leibliche oder gesetzlich adoptierte Kinder 400.000 €
Kinder verstorbener Kinder 400.000 €
Schwiegerkinder 20.000 €
Enkel 200.000 €
Urenkel 100.000 €
Eltern 20.000 €
Stiefeltern 20.000 €
Schwiegereltern 20.000 €
Onkel und Tanten sowie Neffen und Nichten 20.000 €
Beschränkt Steuerpflichtige mit Wohnsitz im Ausland 20.000 €

Senkung des Erwerbswertes durch Wohnrecht und Nießbrauch

Die Steuer wird nur auf den Erwerbswert der Schenkung berechnet, der nach Abzug des jeweils gültigen Freibetrages und weiterer abzugsfähiger Beträge bestehen bleibt. Zu den sonstigen abzugsfähigen Beträgen gehört auch die Berechnung des Gegenwertes für eine Miete, die im Falle von lebenslangem Wohnrecht oder Nießbrauch eine Wertminderung der als Schenkung erhaltenen Immobilie bedeutet.

Die gesetzliche Regelung für Wohnrecht und Nießbrauch sieht vor, dass für die Nutzung der Immobilie keine Mietkosten erhoben werden dürfen. Bei der Übertragung der Immobilie wird allerdings ein Gegenwert für die noch zu erwartende Wohnzeit festgelegt. Dieser wird im Falle eines Verkaufs mit Wohnrecht oder Nießbrauch vom Verkaufswert abgezogen und mindert im Falle einer Schenkung den Erwerbswert als Grundlage für die Schenkungssteuer.

Die Berechnungsgrundlage der Schenkungssteuer ist neben dem Erwerbswert der Immobilie die Steuerklasse des Beschenkten, die der Gesetzgeber im Rahmen der Erbschafts- und Schenkungssteuer festgelegt hat. Ehegatten, eingetragene Ehepartner, Kinder, Stiefkinder, adoptierte Kinder, Enkel und Stiefenkel werden in Steuerklasse I gefasst. Eltern, Großeltern, Stiefeltern, Geschwister, Onkel, Tanten, Neffen und Nichten zählen in Steuerklasse II. Alle anderen Angehörigen werden in Steuerklasse III geführt.

Überschreitet der Wert der Schenkung den Freibetrag nicht, fällt keine Schenkungssteuer an. Es kann also wirtschaftlich sehr vorteilhaft sein, wenn nicht nur die Freibeträge voll ausgeschöpft werden, sondern der Erwerbswert einer Immobilie bei Schenkung durch die Integration von Wohnrecht und Nießbrauch zusätzlich reduziert wird.

André Heid
André Heid

© Heid-Immobilienbewertung

Drei Expertentipps von Fachmann André Heid:

  1. Die Immobilie anteilig verschenken
    Die Freibeträge für Schenkungen dürfen nicht nur einmal ausgeschöpft werden, sondern stehen alle zehn Jahre wieder vollumfänglich zur Verfügung. „Die Immobilie ist 1,3 Millionen Euro wert?“ berechnet Heid. „Schenken Sie Ihrem Kind ein Drittel der Immobilie. Nach zehn Jahren schenken Sie ihm das zweite Drittel, nach 20 Jahren den Rest der Immobilie. Durch diese Stückelung haben Sie die Immobilie letztlich steuerfrei übertragen – zumindest, wenn die Freibeträge und der Verkehrswert gleichbleiben.“
  2. Auf Schlechterstellung des Schenkenden achten
    Die Schenkung wird beim Ableben des früheren Eigentümers nur anerkannt, wenn dieser sich trotz lebenslangem Wohnrecht oder Nießbrauch mit der Schenkung schlechter stellt als im Eigentumsfall. Hier kann ein einfacher Passus im Vertrag Abhilfe schaffen. „Räumen Sie den Beschenkten ein exklusives Recht für ein Zimmer ein“, rät Heid. „Bei eigenen Kindern genügt das Kinderzimmer. Diese Einschränkung der Privatsphäre stellt eine Verschlechterung gegenüber Ihrem vorherigen Status als Eigentümer dar.“
  3. Gemeinsam schenken
    Ist ein Ehepartner alleiniger Besitzer einer Immobilie, kann er im Rahmen des Zugewinnausgleichs die Hälfte des Verkehrswertes auf den Ehepartner übertragen. Im Anschluss können beide Eigentümer ihre Hälfte gleichzeitig an einen Angehörigen verschenken, der den Freibetrag für die Schenkungssteuer in beiden Fällen voll ausschöpfen darf. Zusätzlich dürfen beide Eigentümer bei der Schenkung ein lebenslanges Wohnrecht oder Nießbrauch vereinbaren, die den Erwerbswert der Immobilie zusätzlich senken. Im günstigsten Fall lässt sich die Schenkungssteuer so komplett umgangen werden.

Nießbauch und Wohnrecht: Diese Fakten sollten alle Parteien kennen

Damit sie die Immobilie auch nach der Eigentumsübertragung noch in einem rechtlich abgesicherten Rahmen nutzen können, wird häufig Nießbrauch oder Wohnrecht vereinbart. Wohnrecht und Nießbrauch sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Beide Vereinbarungen werden im Grundbuch eingetragen und legen damit einen genauen rechtlichen Rahmen für alle Parteien fest. Über diese gesetzlichen Bedingungen sollten alle Parteien sich im Klaren sein, um Streitigkeiten zu vermeiden:

So unterscheiden sich Nießbrauch und Wohnrecht

Beim lebenslangen Wohnrecht übertragen Eigentümer einer Immobilie den Besitz durch einen Verkauf oder eine Schenkung an einen neuen Eigentümer, behalten aber das Recht, diese selbst zu bewohnen. Bezieht sich das Wohnrecht ausdrücklich nur auf einen Teil der Immobilie, zum Beispiel eine Einliegerwohnung oder eine separate Wohneinheit in einem Mehrparteienhaus, beinhaltet das lebenslange Wohnrecht auch die Nutzung der Gemeinschaftsbereiche, wie zum Beispiel eines gemeinsam genutzten Gartens, einer Waschküche oder eines Kellers.

Der Nießbrauch geht hinsichtlich der Rechte und Pflichten des Berechtigten weit über das Wohnrecht hinaus. Hierzu erklärt Immobilienexperte André Heid: „Nießbrauch ist das Recht, einen Gegenstand zu nutzen und die Früchte daraus zu ziehen. Der Nießbraucher einer Immobilie darf also in dieser wohnen und damit Gewinn erwirtschaften – sei es durch Anbau, gewerbliche Nutzung, Vermietung oder Verpachtung. Da er aber nicht zum Eigentümer wird, darf er nicht über die Immobilie verfügen, sie folglich nicht verkaufen und auch nicht grundlegend umgestalten.“

Symbolbild Nießbrauch und Wohnrecht
Symbolbild Nießbrauch und Wohnrecht

© geralt / pixabay.com (CC0-Lizenz)

Rechte und Pflichten bei Nießbrauch und Wohnrecht

Berechtigte bei Wohnrecht und Nießbrauch behalten das Besichtigungsrecht. Ähnlich wie in einem Mietverhältnis muss der neue Eigentümer die Erlaubnis des Berechtigten einholen, bevor er die Räumlichkeiten in Augenschein nimmt.

Das lebenslange Wohnrecht beinhaltet auch das sogenannte Aufnahmerecht, das besagt, dass auch Lebenspartner, sowohl ehelich als auch nicht-ehelich, Kinder und Pflegepersonen in den vom Wohnrecht betroffenen Räumlichkeiten aufgenommen werden dürfen. Beim Nießbrauch ist das ebenso. Außerdem darf der Nutznießer die grundsätzliche Ausübung des Nießbrauchrechts an Dritte übertragen. Er darf das eigentliche Nießbrauchrecht allerdings nicht an Dritte übertragen.

Zu den Pflichten, die mit dem Wohnrecht und dem Nießbrauch einhergehen, gehört die Übernahme sämtlicher Nebenkosten wie Strom, Wasser, Heizkosten und einer Umlage für die Müllentsorgung sowie gegebenenfalls für Hausmeister- oder Reinigungsdienstleistungen. Auch kleinere Reparaturen und Schönheitsausbesserungen müssen Wohnberechtigte selbst leisten. Nutznießer sind zudem verpflichtet, die Immobilie in einem wirtschaftlichen Zustand zu erhalten.

Beim Nießbrauch sind zusätzlich zu den Betriebs- und Nebenkosten auch die Kosten für eine ausreichend hohe Versicherung der Immobilie oder des Grundstücks in Form einer Gebäude- oder Hausratversicherung, einer Brandversicherung zu tragen. Ist die Immobilie mit Grundschulden oder einer Hypothek belastet, sind die laufenden Kosten hierfür während der Dauer des Nießbrauchs ebenfalls vom Berechtigten zu tragen.

Vorsicht bei vorzeitigem Ende des Vertrages

In der Regel werden Nießbrauch oder Wohnrecht lebenslang vereinbart. Kommt es während der Laufzeit erneut zu einem Eigentümerwechsel, bleibt das Wohnrecht oder der Nießbrauch bestehen und die im Grundbuch eingetragene Vereinbarung geht auf den neuen Eigentümer über.

Wird der Vertrag für das Wohnrecht oder den Nießbrauch in beiderseitigem Einvernehmen vorzeitig aufgehoben, entsteht dadurch eine Aufwertung der Immobilie. Diese kann zu einer nachträglich Nachberechnung der Schenkungssteuer führen.

Bei zeitlich befristetem Nießbrauch wird diese Aufwertung in der Regel bei der Erstveranlagung einkalkuliert.

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