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Wo Online dem Offline wirklich den Rang abgelaufen hat

Viele von uns verbinden die digitale Gegenwart nur mit größerem Komfort. Dabei hat die Onlinewelt auch an anderen Stellen eine Menge Vorteile zu bieten.

Gutes Analog, schlechtes Digital? Bei genauerer, ehrlicher Betrachtung ist das oft eine ziemlich subjektive Verzerrung.

 unsplash.com, Jessica LEwis

Zugegeben, wenn man noch das allerletzte Weihnachtsgeschenk von seiner Couch aus übers Handy ordern kann, statt sich nach Feierabend und an den Wochenenden ins Gedränge der Geschäfte zu stürzen, dann ist allein das für viele schon der einzige Grund, den sie brauchen, um die Online-Welt gegenüber dem Offline-Pendant zum Sieger zu küren.

Allerdings wäre es reichlich kurzgegriffen, E-Commerce als alleinigen Siegesfaktor anzuerkennen. Tatsächlich können wir alle tagtäglich viele Vorteile daraus ziehen, dass die Welt so digital geworden ist – und vieles davon hat sich schon so tief in unser Denken eingeprägt, dass wir ganz vergessen haben, wie viel schlechter eigentlich die „gute“ analoge Zeit war. Einige Erinnerungen.

1. Die verbraucherfreundlichere Werbung

Wir beginnen mit einem Thema, das kontroverser nicht sein könnte – denn für manche ist gerade die Werbung ein echter Online-Nachteil. Doch warum? Betrachtet man sich die heutige Realität, ist sie nämlich tatsächlich behutsamer:

  1. Algorithmen machen es möglich, digitale Werbung zu personalisieren. So oder so ist Werbung zur Finanzierung unumgänglich. Online ist aber die Chance viel größer, wenigstens solche zu sehen, die einen auch interessiert.
  2. Online-Werbung ist oftmals weit weniger massiert. Wo im TV minutenlange Werbeblöcke stören, die man nur durch Wegschalten ignorieren kann, sind es online meist nur einzelne Clips – die man oft genug auch vor ihrem Ende wegschalten kann.
  3. Offline kann man praktisch nichts gegen Werbebeilagen, Wurfsendungen etc. tun. Im Netz hingegen helfen Filtertools ziemlich zuverlässig.

Das einzige, was auch in der Branche selbst kritisiert wird, ist, dass Online-Werbung oft zu aufdringlich ist. Doch selbst das ist bei Lichte betrachtet meistens kein wirkliches Problem, weil man sie durch wenige Wischs und Klicks beseitigen kann. Zudem darf man eine weitere Werbe-Rolle nicht vergessen.

Analoger Kiosk

unsplash.com, Claudio Schwarz

2. Die kostenlosen Nachrichten-Inhalte

Die meisten wissen, dass im Netz nichts „kostenlos“ ist, sondern man mit seinen Daten zahlt oder der Tatsache, dass Werbeeinblendungen zu sehen sind. Allerdings sollte man doch unterscheiden, ob man für ein Nachrichtenmagazin Euros auf den Kiosk-Tresen legt oder die Online-Variante einige Nutzungsdaten erhebt und/oder Werbeanzeigen einblendet.

Denn: Man darf nicht vergessen, dass wir in Zeiten der DSGVO leben. Dieses Gesetz hemmt das unbemerkte Erheben personalisierter Daten. Und man kann durch richtiges Konfigurieren des Browsers sogar noch die verbliebene Erhebung anonymisierter Daten völlig untersagen.

Was man dafür bekommt: Sekundenaktuelle Nachrichten aus aller Welt. Alle Medienhäuser sind im Netz und selbst wenn sie vieles nur noch gegen digitale Zahlungsmodelle offerieren, bleibt dennoch genügend kostenloses Material – und zudem die Option, genau deswegen viele Medien zu konsultieren, um sich ein unabhängiges Bild zu machen.

3. Die besseren Konditionen

Was ist – neben dem Komfort – einer der wichtigsten Gründe, warum es der Offline-Handel so schwer hat, sich gegen die digitale Konkurrenz zu behaupten? Es ist Geld.

Alles, das in die digitale Welt verlagert werden kann, bedeutet automatisch, weniger Kosten zu haben. Das beginnt bei der nicht mehr notwendigen Anmiete eines Ladengeschäfts in guter Lage, zieht sich über weniger Personal und endet bei einer teuren Ausstattung für die Kundenaugen längst noch nicht.

Dieses Prinzip gilt explizit nicht nur beim Einkauf, sondern faktisch überall. Ja, manche streichen die dadurch entstehenden höheren Gewinne größtenteils ein. Doch die allermeisten Anbieter geben die Ersparnis wenigstens teilweise an den Kunden weiter – durch günstigere Preise und/oder erweiterte Angebote.

Die Couch aus dem Netz ist ebenso meistens um einige Euros günstiger, wie auch das Online-Wettbüro noch zusätzliche Boni und bessere Quoten als die Offline-Konkurrenz offeriert. Und immer steckt dahinter die Tatsache, dass sich auf digitale Weise praktisch alles Gewerbliche viel effizienter und kostengünstiger abwickeln lässt. So kann mit verschiedenen Vergleichsseiten, wie auch beispielsweise mit einem Sportwettenvergleich, der beste Anbieter oder das beste Angebot gefunden werden.

4. Die immer verfügbaren Anleitungen & Informationen

Wir kommen zu einem der vielleicht schlagkräftigsten Digital-Argumente. Zumindest aber einem, von dem schon jeder profitiert haben dürfte. Um es zu verdeutlichen, ein kurzes Beispiel: Mal angenommen, man bekommt samstagsabends spontan Lust auf einen Cocktail, den man zuletzt im Urlaubshotel getrunken hat.

In der analogen Zeit wäre man mit dieser Lust allein gewesen, sofern man nicht in der Nähe einer Cocktailbar gelebt oder ein entsprechendes Rezeptebuch besessen hätte – falls der gewünschte Schirmchendrink darin aufgeführt gewesen wäre.

Doch was tut man heute? Man googelt den Namen des Drinks, findet unter Garantie eine ausführliche Zutatenliste samt Anleitung – und wenn man es gern bildlich möchte, gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens einen YouTuber, der zeigt, was in welcher Reihenfolge und Menge gemischt werden muss.

Nur ein Beispiel von vielen. Ganz gleich was man „jetzt, sofort“ wissen möchte, man findet zu selbst abstrusesten Themen nahezu unerschöpfliche digitale Informationsquellen, die selbst der besten analogen Großstadtbibliothek den Rang ablaufen.

Längst nicht nur eBay ist dafür verantwortlich, dass die Reichweite für Gebrauchtes global ist – und die Suche so ungleich einfacher.

 unsplash.com © Artificial Photography

5. Das schnelle Kaufen und Verkaufen

Dass man sich, wenn es um Neuware geht, in vielen digitalen Fällen kaum vor passenden Anbietern retten kann, ist ein Vorteil, den man nicht weiter beleuchten muss. Aber werfen wir mal einen Blick auf Gebrauchtes, da wird es umso deutlicher.

In analogen Zeiten war die Reichweite, sowohl bei Kauf- wie Verkaufswünschen, sehr genau begrenzt. Und sie war klein. Sie beschränkte sich nämlich auf die Reichweite der örtlichen Tageszeitung mit ihrem Kleinanzeigenteil oder alternativ, wo es derartiges gab, auf spezielle Kleinanzeigen-Zeitungen.

Als bayerischer Oldtimerbesitzer ein rares Ersatzteil deutschlandweit suchen? Als Musikfan nach einer extrem seltenen Fehlpressung fahnden? Als Hauserbe überflüssig gewordene Einrichtung an den Höchstbietenden verkaufen?

Das alles und noch mehr war in der analogen Zeit in extremem Maß eingeschränkt, erforderte viele Gänge, Telefonate, oft monatelange akribische Sucharbeit – und hatte dennoch keine Erfolgsgarantie.

Die digitale Gegenprobe: Im Zweifelsfall ist heute die gesamte bewohnte Welt in Reichweite. Spätestens die sozialen Netze machen es möglich, für praktisch alles einen Käufer oder Verkäufer zu finden, selbst wenn es seit Jahrzehnten nicht mehr als Neuware auf dem Markt war.

Fazit

Die Online-Welt existiert nicht erst seit gestern. Dennoch (oder gerade deswegen) neigen viele dazu, die „Zeit davor“ zu verklären und das digitale Jetzt zu kritisieren. Natürlich, Digital ist nicht zwingend besser, nur weil es digital ist. Aber bei aller Nostalgie sollte man doch anerkennen, dass die digitale Zeit uns einige Vorteile beschert hat, die weit übers normale Shopping bei Amazon hinausgehen. Übrigens: Wer immer noch nicht überzeugt ist, darf sich kurz in die Zeit zurückversetzen, als mit jeder Urlaubsfahrt die Wahrscheinlichkeit mitschwang, sich dank mangelnder Kartenlesefähigkeiten kräftig zu verfahren.

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