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Caucus, Lobby & Co.

Der US-Präsidentschafts-Wahlkampf geht in die Endphase. Dabei gerät bisweilen in Vergessenheit, worum es eigentlich geht - bei den Wahlen im engeren Sinn, aber auch im politischen System der USA insgesamt. Dessen wichtigste Aspekte und Begrifflichkeiten beleuchtet knapp und kompetent das nachfolgende Glossar, das wir mit freundlicher Genehmigung der Bundeszentrale für politische Bildung dem gerade aktualisierten Heft der Informationen zur politischen Bildung "Politisches System der USA" entnehmen.

Hartmut Wasser

Act: Bezeichnet ein von beiden Häusern verabschiedetes und vom Präsidenten unterzeichnetes, damit rechtskräftig gewordenes Gesetz (es erlangt auch Rechtskraft, wenn ein präsidentielles Veto mit der erforderlichen Mehrheit im Kongress überstimmt wird). Zumeist synonym mit law (Gesetz). Laws werden vom Kongress numerisch erfasst. Beispiel: Der Civil Rights Act von 1964 ist als Public Law 88–352 kodifiziert (352. Allgemeingesetz des 88. Kongresses).

Amendment: a) Antrag von Abgeordneten/Senatoren, eine Gesetzesvorlage sprachlich oder inhaltlich abzuändern. b) Verfassungszusätze zur US-Verfassung von 1787 (bislang 27 Amendments, bzw. 17, wenn die ersten zehn, der Grundrechtskatalog, als originäre Bestandteile der Verfassung von 1787 gewertet werden).

Bill(s): Gesetzesvorlagen, die von einzelnen oder einer Gruppe von Kongressmitgliedern im House of Representatives (HR-bills) oder im Senat (S-bills) eingebracht werden. Man unterscheidet public bills und private bills; erstere entsprechen dem deutschen Gesetzesverständnis von allgemeiner Normfixierung, letztere sind dazu vorgesehen, Einzelfragen zu regeln.

Bill of Rights: Menschenrechtskatalog, wie er sich etwa in den alten Staatsverfassungen von Virginia oder Massachusetts findet und im Jahr 1791 in die US-Verfassung von 1787 eingegangen ist.

Caucus: Ursprünglich (indianisch geprägter) Begriff für informelle Führungszirkel in den Parteien, die zum Beispiel Kandidaten für öffentliche Ämter aussuchten und nominierten; in Caucus-Staaten nehmen heutzutage lokale und regionale Nominierungsversammlungen und -parteitage die Auswahl des Präsidentschaftskandidaten oder der Delegierten dieses Staates für die national convention vor; eine primary findet dort nicht statt.

Checks and Balances: Bezeichnung des Gewaltenteilungsprinzips im Regierungssystem der USA. Wechselseitige „Hemmungen und Gleichgewichte“ zwischen den politischen Institutionen sollen der Konzentration von Macht und deren Missbrauch vorbeugen.

Conference Committee: Ein „Vermittlungsausschuss“ zwischen Senat und Repräsentantenhaus, zur Angleichung einer Gesetzesvorlage zwischen beiden Kammern bei Bedarf einberufen und mit einer wechselnden Zahl von Mitgliedern beider Häuser bestückt, die vom speaker des Hauses und vom Senatspräsidenten für die anstehende Kompromissfindung nach Kriterien des Sachverstands ausgewählt werden.

Dissenting Opinion:Abweichendes Minderheitsvotum von Richterinnen und Richtern beim Urteilsspruch, vor allem bei Appellationsgerichten und beim Supreme Court. Im Unterschied dazu trägt die concurring opinion, das Urteil mit, weicht aber in der Urteilsbegründung ab.

Divided Government: Bezeichnung jenes seit Jahrzehnten vorherrschenden Zustands, dass sich Präsidentenamt und Kongressmehrheit nicht in der Hand einer Partei befinden. Umstritten ist die Frage, ob die US-amerikanischen Wähler bewusst die Macht zwischen Demokraten und Republikanern aufteilen, um Washington, also die nationale Bundesgewalt, nicht zu stark werden zu lassen.

Electoral College: Das bei den Präsidentschaftswahlen gewählte Wahlmännerkollegium, welches wiederum den Präsidenten und Vizepräsidenten wählt. Es besteht aus 538 Mitgliedern, die sich auf einzelstaatlicher Ebene im Dezember des Wahljahres in der Hauptstadt ihres Staates zur Stimmabgabe versammeln, wobei sie de facto durch den Wählerwillen in ihrer Entscheidung festgelegt sind. Jeder Staat hat so viele Wahlmänner bzw. -frauen, wie er Abgeordnete in Senat und Repräsentantenhaus entsendet; dazu kommen drei Vertreter des District of Columbia.

Federalism: Bundesstaatlicher Aufbau des Staates; entgegen dem deutschen Sprachgebrauch („Föderalismus“/„Föderalisten“) sind federalists Vertreter einer starken Zentralgewalt auf Bundesebene; entsprechend kann federalism auch „Zentralismus“ bedeuten.

Government: Meint im amerikanischen Sprachgebrauch sowohl „Staat“ (Gemeinwesen) als auch „Staatsapparat“ (Gesamtheit der politischen Institutionen). Die Doppelbedeutung verweist auf den Umstand, dass in den USA in der Regel „Staat“ keine abstrakt metaphysische Wesenheit darstellt, dass er sich vielmehr bloß in den persönlichen und sachlichen Elementen der Ausübung öffentlicher Hoheitsgewalt konkretisiert.

Grass Roots Democracy: US-amerikanische Interpretation der eigenen Herrschaftsordnung als einer bis an die „Graswurzeln“ hinabreichenden „Basisdemokratie“. In dieser Vorstellung spiegelt sich die agrarromantische Tradition der US-amerikanischen Politik mit ihrer Idee autarker demokratischer Einheiten (Familie, Nachbarschaft, Kommune).

Hearing(s): Jeder Ausschuss des Senats und des Repräsentantenhauses kann Untersuchungen (Investigations) im Bereich der Verwaltung, wie zum Beispiel nichtöffentlicher Einrichtungen oder Organisationen, in die Wege leiten; die dabei durchgeführten „Anhörungen“ oder Vernehmungen stellen das Kernstück der parlamentarischen Aktivitäten in den USA dar. Öffentliche Anhörungen dienen auch der Information des Parlaments bei seiner gesetzgeberischen Arbeit.

Impeachment: Recht des Abgeordnetenhauses, gegen Mitglieder der Exekutive und der Bundesgerichte wegen Verfassungs- oder Rechtsverstößen (nicht wegen politischer Kontroversen!) vor dem Senat „Anklage“ zu erheben. Das Amtsenthebungsverfahren stellt einen traditionellen Bestandteil des präsidentiellen Regierungssystems dar, in dem es keine Wahl und Abwahl der Exekutivmitglieder durch das Parlament gibt. Richard Nixon ist 1974 vorzeitig zurückgetreten, als im Repräsentantenhaus die zur Amtsanklage notwendige absolute Mehrheit und im Senat die zur Amtsenthebung erforderliche Zweidrittel-Mehrheit vorhanden waren.

Independent Regulatory Commissions: Einrichtungen der Exekutive für einzelne Wirtschaftssektoren, die sich in der Regel völlig in der Hand von Interessengruppen befinden und auf der Grundlage eines allgemein gehaltenen Gesetzes in speziellen Konfliktfällen Entscheidungen treffen.

Issue Network: Politiknetzwerk, in dem die Betroffenen eines Politikbereichs, die zuständige Abteilung einer Behörde, die Interessengruppe, der befasste Parlamentarische Unterausschuss und Fachleute weitgehend nach eigenen Regeln zusammenarbeiten.

Judicial Review: „Richterliches Prüfungsrecht“ der Verfassungsmäßigkeit legislativer und exekutiver Akte. Obwohl in der Verfassung nicht ausdrücklich erwähnt, hat der Supreme Court in seinem berühmten Urteil Marbury vs. Madison (1803) diese Befugnis aus der Formel hergeleitet, die Verfassung sei the supreme law (das höchste Recht) des Landes, verfassungswidrige Akte deshalb unwirksam und die Judikative als Hüterin der Verfassung befugt, im Zweifelsfall die Verfassungsmäßigkeit von Normen und Handlungen der anderen Staatsgewalten zu überprüfen.

Lobby(ing): Ursprünglich die „Wandelhalle“ des Parlaments, in der Interessenvertreter Zugang zu Abgeordneten suchen, um sie für oder gegen bestimmte gesetzgeberische Absichten oder andere Aktionen zu gewinnen. Später synonym mit Interessenorganisation (pressure group, wörtlich: Druckgruppe). Lobbying umschreibt die Tätigkeit des Lobbyisten, der als Vertreter eines bestimmten Interesses in Washington oder anderswo wirkt. Der Regulation of Lobbying Act (1946) stellt Regeln für das Wirken der Lobbies und ihrer Repräsentanten auf.

National Chairman: Der geschäftsführende Vorsitzende einer politischen Partei auf Bundesebene, genauer ihres national committee. Er wird üblicherweise vom Präsidentschaftsbewerber der Partei ausgewählt und vom Nationalkomitee in seinem Amt bestätigt. Seine wichtigste Funktion besteht in der Organisation von Wahlkämpfen auf nationaler Ebene.

National Committee: Der ständige Ausschuss der Demokraten bzw. Republikaner auf bundesstaatlicher Ebene, der zwischen den Wahlperioden die Aktivitäten der betreffenden Partei in den Einzelstaaten und im Bund zu koordinieren versucht. Die Demokraten entsenden zwei Mitglieder pro Einzelstaat in das nationale Gremium; die Republikaner fügen noch die state chairmen der Staaten hinzu, in denen sie die Wahlen gewonnen haben.

National Convention: Der alle vier Jahre zusammentretende Parteitag der Demokraten/Republikaner, der die Kandidaten für das Amt des Präsidenten/Vizepräsidenten bestimmt, die platform (Wahlprogramm) verabschiedet, das national committeewählt und sonstige Parteigeschäfte erledigt. Die Delegierten werden entweder inprimaries gewählt oder durch conventions bzw. committees der Einzelstaaten nominiert, wobei sich ihre Zahl pro Einzelstaat aus dessen Repräsentanz im Kongress und einem Bonus für Erfolge in vorangegangenen Wahlen ergibt.

New Deal: Bezeichnung für das wohlfahrtsstaatliche Regierungsprogramm Franklin Delano Roosevelts im Jahre 1933, mit dessen Hilfe er die schwere sozioökonomische Krise der USA in Folge der Weltwirtschaftsdepression überwinden wollte. Der Begriff stammt aus dem Bereich des Kartenspiels; new deal meint eine neue Runde, ein neues Blatt im Spiel.

Permanent Government: Es umfasst Behörden, Departments und andere Dienststellen der Exekutive, die unabhängig vom Präsidenten auf Dauer eingerichtet sind und bestimmte eingrenzbare Aufgaben durchführen.

Platform: Wahlprogramm einer Partei oder eines Kandidaten, im allgemeinen vonplatform committees (Programmausschüssen) verfasst und von nationalen oder einzelstaatlichen Parteitagen verabschiedet. Platforms stellen typischerweise in den USA relativ unverbindliche, allgemeine Absichtserklärungen für den Fall der Regierungsübernahme dar und enthalten viele Elemente aus dem Bereich der modernen Werbung (etwa die geschickte Gegenüberstellung eigener Leistungen bzw. Ansichten mit der abwertenden Schilderung gegnerischer Ziele und Vorhaben in der gleichen Sache).

Primary: Seit der Jahrhundertwende in manchen Einzelstaaten durchgeführtes Verfahren zur Förderung demokratischer Transparenz bei der innerparteilichen Kandidatenaufstellung für öffentliche Ämter. Die open primary erlaubt den Wahlberechtigten an der Vorwahl jeder Partei teilzunehmen, ohne eigene Parteimitgliedschaft oder -präferenz nachweisen zu müssen; das Wahlgeheimnis erstreckt sich hier auf die Entscheidung der Stimmberechtigten, ob sie sich an der Vorwahl der einen oder anderen Partei beteiligen wollen. Die closed primary erfordert vom Wähler/der Wählerin, öffentlich sichtbar zu machen, welcher Partei er/sie sich zugehörig fühlt. „Zugehörigkeit“ wird durch einfache Registrierung bzw. durch Teilnahme an den Vorwahlen der betreffenden Partei bekundet.

Single Purpose (Issue-)Movement: Eine ad hoc gebildete Organisation, welche ein spezifisches Interesse/Anliegen einer gesellschaftlichen Gruppe den staatlichen Instanzen gegenüber vertritt und durchzusetzen versucht.

State of the Union Message: Jährliche Botschaft des Präsidenten zur Lage der Nation vor dem Kongress. Die Verfassung sieht diese Zustands- und Absichtserklärung des Weißen Hauses als einzige Möglichkeit der Exekutive vor, direkt vor die Legislative zu treten. Im Allgemeinen trägt der Präsident seine Botschaft zu Beginn der Januar-Sitzungsperiode des Kongresses vor.

Supreme Court: Oberstes Bundes- und Verfassungs-Gericht der USA mit Sitz in Washington. Ihm gehören heute neun Richterinnen und Richter an, die vom Präsidenten auf Lebenszeit vorgeschlagen, vom Senat bestätigt werden und nicht absetzbar sind. Das Gericht stellt einerseits die letzte Instanz in einem dreistufigen Bundesgerichtssystem dar und nimmt zum anderen Aufgaben eines Verfassungsgerichtshofes wahr.

Veto(-Competence): Recht des Präsidenten, einem Gesetz des Kongresses seine Zustimmung innerhalb einer verfassungsrechtlich fixierten Frist von zehn Tagen zu verweigern und an die Legislative, mit Ablehnungsgründen versehen, zurückzugeben. Der Kongress kann dann das Gesetz gemäß den vorgegebenen präsidentiellen Richtlinien verändern oder es durch Zweidrittelmehrheiten in beiden Häusern auch gegen den Willen des Präsidenten in Kraft setzen.

Winner-Takes-It-All-Rule: Bei den Präsidentschaftswahlen werden die Wahlmänner bzw. -frauen (electoral college) eines Einzelstaates nicht proportional zu den abgegebenen Wählerstimmen auf die Präsidentschaftsbewerber der verschiedenen Parteien verteilt, sondern sie fallen insgesamt dem Kandidaten zu, der die meisten Stimmen errungen hat. Der Gewinner bekommt alle Wahlmännerstimmen zugesprochen. Dieselbe Regel gilt beispielsweise auch für innerparteiliche Vorwahlen, wo die Parteitagsdelegierten auf den Kandidaten festgelegt werden, der die primary mit relativer Mehrheit für sich entschieden hat. Die Demokratische Partei hat allerdings seit 1972 hier das Proportionalprinzip eingeführt.

Entnommen aus:

Informationen zur politischen Bildung 283: Politisches System der USA, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2008

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Der Autor:

Prof. Dr. Hartmut Wasser, geb. 1937, ist seit 2002 emeritiert und lehrte zuletzt an der Pädagogischen Hochschule Weingarten Politikwissenschaften. Seine Arbeitsschwerpunkte sind das politische System der USA und zunehmend die Biographie des dritten Präsidenten der USA, Thomas Jefferson.

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