Lexikon
russische Philosophie
Die russische Philosophie ist in ihren Anfängen vom 10. bis zum 15. Jahrhundert vor allem durch die Übernahme byzantinischer Philosophie und Mystik gekennzeichnet und steht fast ausschließlich im Dienst der russisch-orthodoxen Kirche. Im 16. Jahrhundert entsteht eine eigene philosophische Literatur, die sich mit dem Verhältnis von Kirche und Staat sowie mit dem Problem der absolutistischen Herrschaft auseinander setzt. 1631 wurde die erste Schule für humanistische Studien in Russland (Mogila-Kolleg in Kiew, seit 1701 Akademie) nach dem Muster polnischer Jesuitenkollegs gegründet, 1685 die Moskauer theologische Akademie zu Sagorsk. Die Schulgründungen bewirkten eine Beschäftigung mit der lateinischen Scholastik.
Als erster bedeutender russischer Philosoph gilt der Ukrainer Gregorij Skoworoda (18. Jahrhundert), der eine dualistische platonische Metaphysik und Mystik vertrat. Unter der von Peter dem Großen erwirkten Öffnung nach Westen, die von Katharina II. fortgesetzt wurde, erhielt die westeuropäische, besonders die französische Aufklärung, Einfluss. Die russische Philosophie entwickelte rationalistische Tendenzen und wandte sich gegen den kirchlichen „Obskurantismus“. Ihr berühmtester Vertreter ist A. N. Radischtschew, der in seinen Werken Leibniz’sche Spekulation mit moralischer und sozialer Kritik verband. Andere wichtige russische Philosophen der Zeit waren M. W. Lomonossow, der Vater der russischen Wissenschaft, und N. M. Karamsin.
Das 19. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch spekulativ-religiöse (antirationalistische) Züge sowie durch die Betonung anthropologischer und ethischer Probleme. Zahlreiche Denker versuchten, die nationale und religiöse Sonderstellung des russischen Volkes philosophisch zu begründen. Zu den ersten selbständigen Philosophen gehörten D. M. Wellanskij (1774–1847) und P. J. Tschaadajew (1794–1856). Unter den philosophischen Schriftstellern gab es zwei Gruppen, die Slawophilen, die eine Anthropologie und Metaphysik auf der Grundlage des östlichen Christentums anstrebten, und die Westler, die mit der mittel- und westeuropäischen Geisteshaltung sympathisierten. Slawophile waren u. a. I. W. Kirejewskij (1806–1856) und J. F. Samarin (1819–1876); Westler waren W. G. Belinskij, A. I. Herzen, M. A. Bakunin. Positivisten bzw. Materialisten waren N. A. Dobroljubow (1836–1861), N. G. Tschernyschewskij, N. K. Michailowskij (1842–1904), D. I. Pissarew, M. M. Filippow (1858–1903) und G. W. Plechanow (der eigentliche Begründer des russischen Marxismus).
Bakunin, Michail Alexandrowitsch
Michail Alexandrowitsch Bakunin
© wissenmedia
Der bedeutendste russische Philosoph war W. Solowjew; sein mystisch-theologisch orientiertes Denken beeinflusste N. A. Berdjajew, L. J. Schestow (1868–1938), S. L. Frank (1877–1959), N. O. Losskij und auch die symbolistische Literatur.
Nach der Revolution von 1917 erfolgte in der Sowjetunion eine Neuordnung der Wissenschaften auf der monistisch-materialistischen Basis des Marxismus-Leninismus (Marxismus); „revisionistische Abweichungen“ wurden von der Lehre fern gehalten. In der Tauwetterperiode konnte eine kritische Auseinandersetzung mit Hegels und Marx’ Schriften stattfinden, getragen vor allem von M. K. Mamardaschwili und E. W. Iljenkow, der mit der Betonung des Individuums als Zentrum moralischen Handelns das Interesse an der Ethik belebte. Vom Marxismus unabhängig waren der Literatur- und Sprachphilosoph M. M. Bakhtin mit seiner einflussreichen Konzeption des Dialogs und A. F. Losew, ein Gegner von zentralen Aspekten des Modernisierungsprozesses wie z. B. dem technologischen Fortschritt. Die religiöse Philosophie, die seit den 1960er Jahren in Dissidentenkreisen verbreitet war, wurde in den 1990er Jahren breit diskutiert. Der Postmodernismus in der Tradition Foucaults wird von V. A. Podoroga vertreten.
Wissenschaft
Verheizt!
Heizen mit Holz statt mit Öl gilt als Beitrag zum Klimaschutz. Doch Wissenschaftler warnen: Die Abgase aus Holzöfen sorgen nicht nur für schmutzige Luft, sondern führen zu steigenden Treibhausgas-Emissionen. von GÜVEN PURTUL Das erste von Menschenhand entfachte Feuer war ein Meilenstein der Zivilisation. Über 30.000 Jahre später...
Wissenschaft
Flugroboter hüpft und läuft wie ein Vogel
Seit Jahrtausenden haben sich Menschen beim Traum vom Fliegen von Vögeln inspirieren lassen. Auch für den neuartigen Flugroboter RAVEN dienten Vögel als Modell – in diesem Fall jedoch ihre Beine. Ähnlich wie eine Krähe kann RAVEN damit laufen, hüpfen, auf Hindernisse springen und aus dem Stand in den Flug springen. Die...
Mehr Artikel zu diesem Thema
Weitere Artikel aus dem Kalender
Weitere Artikel aus der Wissensbibliothek
Weitere Lexikon Artikel
Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch
Weitere Artikel aus dem Großes Wörterbuch der deutschen Sprache
Weitere Artikel auf wissenschaft.de
Perlenkette im Plasma
Die Verteilung der Arten
Toxine als Medikamente
Unverzichtbare Kraftpakete
Heilung im Takt der Natur
Das weiße Gold