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Die Welt des Fetisch: Ungewöhnlich gibt’s nicht

Längst nicht jeder Mensch wird von herkömmlichen sexuellen Dingen angezogen. Allerdings gibt es Fetische auch weit jenseits der breitbekannten Kombination von Lack und Leder.

Strenggenommen geht alles, was nicht der sexuellen Norm entspricht, bereits in die Fetisch-Richtung. Allerdings bedeutet ein echter Fetisch auch, dass das Fetischobjekt zwingend für die Erregung benötigt wird.

pixabay.com Sponchia

Was der Volksmund sagt, ist selten wirklich wissenschaftlich. Betrachtet man sich allerdings eines der Kölschen Lebensmottos „jeder Jeck ist anders“, stimmt es auffallend. Auch und besonders wenn man sich in die sexuelle Richtung bewegt. Fakt ist zwar, dass sehr viele Menschen von „normalen“ Dingen erregt werden. Ebenso gibt es jedoch auf der ganzen Welt Millionen von Menschen, die ihren Kick durch etwas bekommen, was für Normalverbraucher zumindest ungewöhnlich, oft aber ein sexuelles Tabu ist. Der folgende Artikel möchte einige dieser eher ungewöhnlicheren Spielarten aufzeigen – wobei „ungewöhnlich“ aber nicht bedeuten soll, dass nur eine Handvoll „Sonderlinge“ davon erregt würden. Gerade die Wissenschaftswelt weiß, dass die Dunkelziffer enorm hoch ist.

Übrigens: Auch wenn Fetisch eigentlich bedeutet, ohne das Fetischobjekt kaum erregt zu werden, übernimmt dieser Artikel die deutlich breiter gesteckte umgangssprachliche Definition als „was von der sexuellen Norm abweicht“.

Knismolagnie

Dass Lachen gesund ist, dürfte den meisten Menschen bekannt sein. Und dass praktisch jeder Mensch kitzlig ist, ist ebenso eine Tatsache. Bei der Knismolagnie hingegen erreicht der Spaß, gekitzelt zu werden, jedoch ein sexuelles Level. Menschen mit diesem Fetisch werden dadurch erregt, zu kitzeln bzw. gekitzelt zu werden (aktive bzw. passive Knismolagnie).

Bei diesen Menschen führt der sensorische „Overload“, den die gekitzelten Nervenenden produzieren, direkt in eine aufsteigende Erregungskurve – und kann bis zu einem herzhaft lachenden Orgasmus führen.

Akustische Voyeure erregt es, anderen bei sexuellen Handlungen zuzuhören. Eine ziemlich weitverbreitete Spielart.

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Akustischer Voyeurismus

Eigentlich stammt das Wort Voyeur aus dem Französischen und steht für „Seher“ bzw. „Zuseher“. Und tatsächlich handelt es sich bei der klassischen Variante um den wahrscheinlich am weitesten verbreiteten Fetisch überhaupt – praktisch niemand bleibt kalt, wenn er andere Menschen in sexuellen Momenten sieht. Das kann von reiner Nacktheit bis zu sexuellen Handlungen reichen. Und schon jeder, der durch Pornos erregt wird, ist letztlich ein Voyeur.

Bei akustischen Voyeuren hingegen tut es nicht so sehr die Zusehen-Komponente wie die des Zuhörens. Hier kommt die Erregung durch das Zuhören bei eindeutig sexuellen Handlungen, etwa dem Masturbieren und Stöhnen des Gegenübers. Anhänger dieses Fetisches sind auch die Hauptzielgruppe für günstigen Handy-Telefonsex ohne 0900-Nummer, da dabei genau diese akustische Komponente vollends bedient wird.

Urophilie

Es gehört zum Wesenskern vieler Fetische, dass sie (weit) außerhalb der sexuellen Norm stehen. Und als solche von einer Mehrheit oft auch als schockierend wahrgenommen werden. Urophilie gehört zu letzterem. Dabei geht es um sexuelle Erregung durch Urin. Die Spanne des Fetisches ist dabei breit gesteckt: Viele erregt es schon, anderen Menschen beim Urinieren zuzusehen, andere suchen den körperlichen Kontakt dazu, teils auch oral.

Übrigens fanden die wenigen Studien, die es zu dem Thema gibt, Überraschendes heraus: Obwohl Urinieren in vergleichsweise vielen Pornos praktiziert wird (meist durch weibliche Darstellerinnen) und dementsprechend viele Testpersonen solche Szenen schon gesehen haben, gibt eine Majorität an, davon nicht sonderlich erregt zu werden.

Trichophile mögen den menschlichen Körper in seinem ursprünglich behaarten Zustand. Tatsächlich kein allzu exotischer Fetisch.

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Trichophilie

Trichophilie ist insofern ein interessanter Fetisch, als dass er sich eigentlich entlang normaler evolutionärer Vorgaben bewegt. Bei Trichophilie handelt es sich nämlich um sexuelle Erregung durch den Anblick bzw. das Berühren von (Körper-)Haaren.

Evolutionär ist das eigentlich normal. Körperbehaarung, besonders unter den Achseln und im Intimbereich, signalisiert sexuelle Reife und ist als solche eigentlich in die normale Erregungskurve des Menschen „einprogrammiert“.

Bei Trichophilen allerdings sind diese Haare mehr als nur ein optisches Signal, sondern Fokuspunkt, durch den Erregung verstärkt wird bzw. überhaupt erst entsteht. Dabei ließ sich etwa seit den frühen 1990ern ein steiler Anstieg der Nachfrage nach Medien mit naturbehaarten Männern und Frauen feststellen – für Wissenschaftler ein einfach erklärbarer Vorgang: Im Verlauf der 1990er und mehr noch der 00er-Jahre wurde es in weiten Teilen der Welt Usus, Achsel- und Intimbereich weiträumig zu enthaaren. Zwar bestand der Fetisch schon zuvor, konnte jedoch auf einfache Weise befriedigt werden, weil die Körperbehaarung Normalität und somit auch in vielen pornografischen Mainstream-Medien vertreten war.

Erst als dort großflächig rasiert und gewachst wurde, fehlte diese Komponente und es entstand ein Markt für „haarige“ Pornografie.

Hybristophilie

2014 kam die Welt erstmals breitgesellschaftlich mit einem Fetisch in Kontakt, der zuvor vornehmlich im Verborgenen zirkulierte. In diesem Jahr wurde ein US-Gangmitglied namens Jeremy Meeks in Kalifornien festgenommen. Nachdem die ortsansässige Polizei sein Foto veröffentlicht hatte, wurde die Sache praktisch über Nacht viral.

Meeks hatte schnell den Ruf als „Sexiest Criminal alive“ weg. Weltweit wurde er angeschmachtet, bekam unzählige Liebesbriefe und ähnlich viele Heiratsanträge, während er seine Gefängnisstrafe verbüßte.

Für Psychologen kein ungewöhnlicher Vorgang, sondern einer, der nur durch Meeks „massenkompatible“ Attraktivität besonders prominent wurde. Tatsächlich gab es auch schon zuvor viele Hybristophile auf der Welt. Also Menschen, die sich vornehmlich zu Straftätern hingezogen fühlen. Interessant ist dabei auch, dass dabei besonders häufig „schwere“ Straftäter zum Fokus werden, bis hinauf zu Massenmördern wie Anders Behring Breivik, der nach wie vor zahlreiche Liebesbriefe erhält.

Und auch wenn es schwere Formen der Hybristophilie gibt, bei denen der Wunsch besteht, gemeinsam mit dem „Kriminellen der Begierde“ Straftaten zu begehen, so sieht die Wissenschaft bei der breiten Masse (übrigens sind Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer) deutlich harmlosere Formen. Hier ist es vor allem die „Bad-Boy-Attitüde“, die anziehend wirkt. Die Lust auf jemanden, der außerhalb der akzeptierten gesellschaftlichen Normen steht.

Saliromanie

Vor allem die westliche Gesellschaft gilt als sehr sauber und reinlich im klassischen Sinn. Für Wissenschaftler ist es deshalb kein Wunder, dass vor allem hier die Saliromanie so sehr verbreitet ist.

Denn bei diesem Fetisch geht es um eine Vorliebe, Personen (auch sich selbst) und ferner Objekte zu beschmutzen. Mit was beschmutzt wird, unterliegt breitgefächerten Vorlieben, kann auch mit Urophilie verbunden sein.  

Deutlich häufiger, zumindest in der Verteilung bei pornographischen Medien, sind jedoch Schlamm und breiige bzw. flüssige Lebensmittel, ferner auch Farben. Zwar liegt der Fokus dann auf dem Beschmieren, allerdings gehört dazu für die meisten Menschen auch noch eine klassische sexuelle Handlung. Beispiel: Eine Frau, die sich mit Schlamm einschmiert und dann masturbiert.

Dass derartige Vorgänge Erregung produzieren, lässt sich auf den (in unserem Kulturkreis) damit einhergehenden Normbruch vom sauberen, reinen Normalzustand zurückführen. Dies abermals verstärkt in der heutigen Zeit, in der es zur gesellschaftlichen Normalität gehört, den Körper nicht nur tagtäglich zu reinigen, sondern praktisch „porentief“ zu säubern und zu parfümieren, bis jegliches Natürliche überdeckt ist.

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