Lexikon

spanische Literatur

Die maurische Herrschaft in Spanien hat eine frühzeitige Entfaltung der spanischen Sprache und Literatur behindert. Das erste erhaltene Werk von Bedeutung ist das „Poema de Mio Cid“ (um 1140), ein Epos von den Kämpfen des Nationalhelden Cid gegen die Mauren. Ein Rolands-Epos ist in Fragmenten, andere Epen sind in späteren Prosafassungen in der „Primera crónica general“ (abgeschlossen 1289) erhalten. Die Spielmannsepik und die geistliche Dichtung des frühen Mittelalters zeigen französische Einflüsse. Der älteste namentlich bekannte spanische Dichter ist der Kleriker Gonzalo de Berceo, der um 1230 Marien- und Heiligenlegenden schrieb.
In der Mitte des 13. Jahrhunderts entstand am Hof Alfons des Weisen von Kastilien eine stark provençalisch beeinflusste Minnedichtung. Die Sprache der mittelalterlichen spanischen Lyrik (wie auch der portugiesischen) war die gallegische Mundart. Unter Alfons dem Weisen entstand auch die große Weltchronik „Grande e general historia“. Der maurische Einfluss in Spanien zeigte sich in den zahlreichen Übersetzungen aus dem Arabischen („Calila e Digna“ 1251; „Libro de los engaños“ 1253). Gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstand der erste spanische Ritterroman: „Historia del Caballero Cifar“. Im 14. Jahrhundert schrieb P. López de Ayala die scharfe Gesellschaftssatire „Rimado de palacio“. Die Dichter des 15. Jahrhunderts (Marqués de Santillana, J. de Mena, J. Manrique) standen unter dem Einfluss Dantes und der italienischen Renaissance. 1492 verfasste der Humanist Antonio de Nebrija eine spanische Grammatik.
Das 16. und 17. Jahrhundert waren das „goldene Zeitalter“ der spanischen Literatur (Siglo de Oro). Die Lyrik des 16. Jahrhunderts wurde ganz von den Formen und Themen der italienischen Renaissance bestimmt (Petrarkismus). Um 1600 setzte sich dann der überladene Stil des Barocks durch. Die größten Lyriker dieser Epoche waren F. G. de Quevedo und L. de Góngora (Gongorismus). Mit dem „Lazarillo de Tormes“ (anonym 1554) begann die Reihe der Schelmenromane, die die gesamte europäische Literatur beeinflussten. Der Gipfel in der Entwicklung des spanischen Romans und ein Höhepunkt in der Weltliteratur ist der „Don Quijote“ von M. de Cervantes Saavedra (16051615).
Das „goldene Zeitalter“ brachte den Höhepunkt für das spanische Theater, sowohl für das geistliche Drama (Auto sacramental) als auch für das weltliche (Comedia) und für das kurze Zwischenspiel (Entremés). B. de Torres Naharro, L. de Rueda und J. de La Cueva schufen die Voraussetzungen für die großen Dramatiker Lope de Vega (Vega Carpio), Tirso de Molina und P. Calderón de la Barca.
Die Literatur des 18. Jahrhunderts lebte von der klassizistischen Nachahmung des „goldenen Zeitalters“ und war von der Übernahme der französischen Aufklärung bestimmt. Der Meister der spätromantischen Lyrik und Prosa war G. A. Bécquer. Mit den milieuschildernden Romanen der Fernán Caballero und den psychologischen Romanen J. Valeras begann die Epoche des Realismus, die in den historischen und gesellschaftskritischen Romanen von B. Pérez Galdós ihren Höhepunkt erreichte. Die sog. „Generation von 1898“ (M. de Unamuno, J. Ortega y Gasset, Azorín, R. Pérez de Ayala) versuchte, die Nation durch Kritik zu sich selbst zurückzuführen. Die moderne Lyrik Spaniens ist weitgehend von R. Darío (aus Nicaragua) beeinflusst. Die wichtigsten Lyriker sind J. R. Jiménez, V. Aleixandre, D. Alonso und E. de Nora. F. García Lorca erneuerte das spanische Problemtheater; Dramatiker wie A. Casona und A. Buero Vallejo stehen unter französischem und angelsächsischem Einfluss.
Der Bürgerkrieg und die folgende Franco-Diktatur zwangen viele Autoren, ins Exil zu gehen. Die Literatur der 1940er, 1950er und 1960er Jahre reflektierte vor allem den Bürgerkrieg und die deprimierenden Verhältnisse der Nachkriegszeit in der traditionellen Erzählweise des so genannten sozialen Realismus. Vereinzelt zeigten sich schon Versuche, neue Erzähltechniken einzuführen (C. J. Cela, C. Laforet, M. Delibes). Stilelemente des französischen Nouveau Roman und Anregungen lateinamerikanischer Autoren wurden übernommen und mit experimentellen Techniken weiterentwickelt (z. B. J. Goytisolo, J. Benet).
Nach dem Tod Francos (1975) und im Zuge der Demokratisierung Spaniens ist wieder ein Übergang zu eher traditionellen Erzähltechniken festzustellen. Es erscheinen neue Formen des historischen Romans; überaus populär wird auch der erstmals entstehende spanische Kriminal- und Spionageroman (u. a. M. Vázquez Montalbán). Eine komplexere, Realität und Fiktion vermischende Erzählweise mit psychoanalytischen Elementen zeigen u. a. die Werke von J. Marías; als literar. Chronist der Franco-Zeit gilt R. Chirbes.
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