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Mahatma Gandhi: Symbolfigur des gewaltlosen Widerstands
Warum wurde Gandhi zum politischen Führer?
Viele Inder glaubten, dass er es wegen seiner politischen Erfahrung, die er in Südafrika gesammelt hatte, schaffen würde, die Kolonialherren zu vertreiben. Aus diesem Grund warteten im Jahr 1915 Tausende von Indern im Hafen von Mumbai erwartungsfroh auf die Rückkehr des am 2. Oktober 1869 in dem Hafenstädtchen Porbandar geborenen Mohandas Karmachand Gandhi. Der Sohn eines einflussreichen und wohlhabenden Politikers war 1893 nach einem vierjährigen Jurastudium in England als Rechtsanwalt eines Handelshauses seiner Heimatstadt nach Südafrika gegangen. In den folgenden 20 Jahren hatte er sich dort als Führer seiner gegen die Rassendiskriminierung kämpfenden Landsleute einen weit über die Grenzen Südafrikas hinausgehenden Namen gemacht. So war er bei seiner Rückkehr bereits ein Held, und viele Inder glaubten, in ihm endlich den lang ersehnten Retter aus über 500-jähriger Fremdherrschaft gefunden zu haben.
Wie führte er Indien in die Unabhängigkeit?
Gandhi stand bald an der Spitze der indischen Unabhängigkeitsbewegung gegen die britischen Kolonialherren, die er durch seine Aktionen des gewaltlosen Widerstands in die Defensive drängte. Berühmtheit erlangte hierbei sein legendärer Salzmarsch, bei dem ihm 1930 hunderttausende seiner Landsleute in einem beispiellosen Triumphzug durch die Wüsten Gujarats zum Meer folgten, um mit dem dort gewonnenen Salz den symbolischen Sieg über das britische Salzmonopol zu feiern.
1947 war es schließlich so weit: Der britische Premier Attlee verkündete die Unabhängigkeit und die Teilung Indiens in das hinduistische Indien und das moslemische Pakistan. Für Gandhi war es ein Triumph mit einem bitteren Beigeschmack, hatte er doch die Teilung vehement abgelehnt.
Was geschah nach der Unabhängigkeitserklärung?
Der Traum vom freien, selbstbestimmten Indien wurde zum Alptraum. Millionen von Hindus und Moslems schlachteten sich auf offener Straße mit Äxten und Messern ab, und in den Wochen nach dem 15. August 1947, dem Tag der Unabhängigkeit, »floss mehr Blut als Regen«, wie es ein Reporter der »New York Times« formulierte.
Worin sah der berühmte Hindu seine eigentliche Aufgabe?
In der Persönlichkeitsbildung des Einzelnen, die seiner Ansicht nach große Auswirkungen auf die Politik hat. Die blutigen Auseinandersetzungen bewahrheiteten auf fatale Weise die von Gandhi immer wieder vertretene These, dass der politischen Freiheit die ethisch-moralische Freiheit jedes Einzelnen vorausgehen müsse. Zur Einübung dieses von aktiver Nächstenliebe, Gewaltlosigkeit und materieller Enthaltsamkeit geprägten Lebensstils gründete er den noch heute bestehenden Satyagraha-Ashram in Ahmedabad.
Entschieden wandte sich Gandhi auch gegen die Diskriminierung der Unberührbaren, die er in den Ashram integrierte und denen er den Namen »Harijans« (Kinder Gottes) verlieh. Hier zeigt sich, dass Gandhis eigentliches Interesse weit mehr dem sozialen Engagement als der großen Politik galt. So nahm er bezeichnenderweise am Tag der Unabhängigkeit nicht an den offiziellen Feierlichkeiten teil, sondern diente in einem kleinen Dorf den Armen.
Wo irrte Gandhi?
Er idealisierte das »einfache« Leben und lehnte den technischen Fortschritt radikal ab. »Experimente mit der Wahrheit« nannte er programmatisch seine Autobiografie, wohl wissend, dass sein Weg zuweilen mit Irrtümern gepflastert war. Aus heutiger Sicht gehört hierzu sicherlich auch seine doch sehr unkritische Verklärung des indischen Dorflebens, wenn er beispielsweise dazu aufforderte, »alles zu verlernen: Eisenbahnen, Telegraphen, Krankenhäuser, Advokaten, Doktoren, all dies muss verschwinden; und die so genannten besseren Kreise müssen bewusst, gläubig und gezielt das einfache Bauernleben lernen, im Wissen, dass dieses Leben das wahre Glück bringt.«
Sein langjähriger Weggefährte und Indiens erster Ministerpräsident Jawaharlal Nehru erteilte dieser Verklärung des indischen Dorflebens eine klare Absage.
Folgten die Inder seiner Lehre?
Letztendlich nein. Heute gibt es zwar kaum eine Stadt in Indien, in der nicht eine Hauptverkehrsstraße nach ihm benannt wäre, kein Tag, an dem nicht irgendwo im Land eine Statue von ihm eingeweiht würde, und vor allem kaum eine Politikeransprache, in der er nicht erwähnt wird. Man kann sich jedoch des Gefühls nicht erwehren, dass mit der Mythisierung Gandhis nur von der Tatsache abgelenkt werden soll, dass der Vater der Nation mit seinen Lehren schon zu Lebzeiten gescheitert war. Er selbst war einer der Ersten, der dies erkannt hatte, als er im Juli 1946 sagte: »Ich weiß, Indien ist nicht mehr auf meiner Seite. Ich habe nicht genug Inder von der Wahrheit der Gewaltlosigkeit überzeugt.« Auf welch tragische Weise sich diese Einsicht bestätigen sollte, wurde der geschockten Welt am 30. Januar 1948 vor Augen geführt, als die Symbolfigur der Gewaltlosigkeit von dem fanatischen Hindu Nathuram Godse erschossen wurde.
Wussten Sie, dass …
Winston Churchill Gandhi wegen seiner spärlichen Bekleidung einst abschätzig »der nackte Fakir« genannt hatte?
Gandhi bereits im Alter von 13 Jahren mit der gleichaltrigen Kasturba Nakanji verheiratet wurde? Die Ehe dauerte 62 Jahre.
»Mahatma« ein Ehrentitel ist und »Große Seele«“ bedeutet? Gandhi lehnte den Titel allerdings ab, da er sich als unwürdig empfand.
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