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Luthers Auftritt auf dem Reichstag in Worms

Vor 500 Jahren hat der Kirchenreformer Martin Luther seinen wohl berühmtesten Auftritt: Vor dem deutschen Kaiser Karl V. und dem Reichstag zu Worms weigert Luther sich, seine 95 Thesen und kirchenkritischen Aussagen zu widerrufen. Der Begründer des Protestantismus hält damit dem Druck der katholischen Kirche und des weltlichen Herrschers stand. Später wird ihm für diesen Auftritt der berühmte Ausspruch in den Mund gelegt: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders."
KSA, 16.04.2021

Mit seiner 1877 entstandenen Darstellung eines heroischen Luther auf dem Reichstag zu Worms prägte Anton Werner das Lutherbild seiner Zeit.

Gemeinfrei

Seit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen wenige Jahre zuvor ist der in Wittenberg ansässige Martin Luther nicht untätig geblieben. In zahlreichen Flugschriften und -blättern bringt er seine Kirchenkritik unters Volk. Dabei nimmt Luther kein Blatt vor den Mund: Der Papst ist für ihn nicht nur der "Antichrist", sondern gar "des Teufels Sau".

Für die Amtskirche steht Luther mit seinen energisch vertretenen Ansichten außerhalb der Kirchengemeinschaft. Anfang 1521 wird er vom Papst exkommuniziert. Zu der in solchen Fällen üblichen Vollstreckung der Reichsacht kommt es allerdings nicht, weil Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen auf dem Verhandlungswege sicherstellt, dass Luther seine Position vor dem anstehenden Reichstag in Worms nochmals erläutern und verteidigen darf.

Triumphfahrt nach Worms

Am 2. April 1521 macht sich Luther mit mehreren Begleitern auf den Weg nach Worms. Die Anreise zum Reichstag bestätigt ihn in seiner Haltung, denn die Fahrt gleicht einem Triumphzug, allerorten wird Luther mit Begeisterung empfangen. Aus Erfurt wird berichtet, dass die Empore der Augustinerkirche wegen der Zuhörermassen einzustürzen drohte.

Auch die Stimmung in der mit 10.000 Gästen völlig überfüllten Reichsstadt Worms ist vorwiegend  pro-lutherisch. Der päpstliche Nuntius, Hieronymus Aleander, beklagt sich in seinen Depeschen nach Rom bitter über die Haltung und den Glaubensmangel der Deutschen. Als Luther und seine Begleiter am 16. April in Worms eintreffen, erwartet sie auch dort vonseiten der Bevölkerung ein freundlicher Empfang.

Die Verhandlung gegen Luther fand im Saalbau des Bischofshofs (im Bild Mitte-rechts) statt, der 1689 von den Franzosen im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört wurde.

Gemeinfrei

Erste Anhörung

Weniger warm ist der Empfang durch den König: Am 17. April wird Luther in den Bischofshof vorgeladen, wo Karl V. residierte. Damit trennt man den „Fall Luther“ vom eigentlichen Reichstagsgeschehen ab, das im Rathaus stattfindet. An diesem ersten Verhandlungstag werden Luther seine Schriften präsentiert, die er nun öffentlich widerrufen soll. Der Reformator, der eine Diskussion erwartet hat, zögert und erbittet Bedenkzeit. Der Kaiser gewährt im 24 Stunden Aufschub.

Die Widerrufsverweigerung

Am nächsten Tag, dem 18. April 1521, kommt es dann vor großem Publikum zum entscheidenden Auftritt. In seiner Verteidigungsrede erklärt Luther seinen Anklägern, dass er sich in seinen Ansichten durch die Bibel bestätigt sehe, und verweigert einen Widerruf seiner Schriften, solange diese nicht auf Basis der Bibel widerlegt seien. Dem kaiserlichen Einwand., dass er sich als einzelner Mönch nicht über die Meinung der ganzen Christenheit hinwegsetzen könne, begegnet Luther mit einem Verweis auf die Fehlbarkeit von Päpsten und Konzilen.

Er schließt seine Rede ab mit den Worten „Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen.“ Der ihm zugeschriebene Ausruf "Hier stehe ich und kann nicht anders" fällt nicht.

Trotz der ablehnenden Haltung des Kaisers wird Luther auch nach diesen klaren Aussagen nicht festgehalten, sondern aus dem Verhandlungssaal entlassen. Dass der Druck nicht spurlos an ihm vorübergegangen ist, belegt der Ausruf, der für die Rückkehr in die Unterkunft überliefert ist: "Ich bin hindurch." Auch in den nicht öffentlichen Nachverhandlungen in den folgenden Tagen weicht Luther nicht von seiner Linie ab. Am 25. April macht er sich auf die Rückreise und kann Worms unbehelligt in Richtung Wittenberg verlassen.

Das 1868 enthüllte Lutherdenkmal in Worms erinnert an den Auftritt des Reformators in der Reichstagsstadt. Die Lutherstatue im Zentrum des Denkmals war das Vorbild für zahlreiche Lutherdenkmäler in Mitteleuropa und Nordamerika.

GettyImages, klug-photo

Das Wormser Edikt

Für Kaiser Karl war die Sache damit allerdings noch nicht vom Tisch. In einer Antwort auf die luthersche Rede, die er am 19. April verlesen lässt, werden die Thesen des Reformators verworfen – der Herrscher stellt sich hinter die römische Kirche. Das von Karl erwirkte „Wormser Edikt“, das die Reichsacht über Luther verhängt und Verbrennung seiner Schriften anordnet, wird allerdings erst am 25. Mai unmittelbar nach dem offiziellen Ende des Reichstags ausgestellt. Damit alles seine „Ordnung“ hat, wird das Dokument auf den 8. Mai zurückdatiert.

Für Luther bleibt die Reichsacht ohne Konsequenzen, denn er befindet zu diesem Zeitpunkt bereits sicher in der Wartburg. Sein Schutzherr, der Kurfürst von Sachsen, hatte ihn am 4. Mai  in der Nähe von Eisenach "entführen“ lassen, um ihn in Sicherheit zu bringen und etwaige Verfolger zu täuschen.

Kleine, aber entscheidende Änderung

Während Luther spurlos verschwunden ist, erreicht der Text seiner Reichstagsrede Wittenberg. Dort wird sie gedruckt – mit einer kleine Änderung. Die Schlussworte lauten nun: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen.“ Wem auch immer diese rhetorische Zuspitzung zu verdanken, es handelt sich zweifellos um einen großen Wurf. Die nie gefallenen, aber äußerst eingängigen Worte werden für die protestantische Tradition prägend.

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